Trotz beschlossenem "Atomausstieg" in Deutschland wuchs der hochradioaktive Müllberg auch nach 2011 jedes Jahr um etliche Tonnen. Allein das baden-württembergische AKW Neckarwestheim II trug 40 Tonnen zum Berg bei. Hinzu kommen das Zigfache an schwach und mittelstark strahlenden Abfällen aus dem Rückbau von Atomkraftwerken. Aktuell stehen die strahlenden Hinterlassenschaften in teils hochproblematischen Zwischenlagern, deren Genehmigungen Mitte der 2040er-Jahre auslaufen. Ein "Endlager" wird nach realistischen Schätzungen dann noch lange nicht betriebsbereit sein. Daher braucht es ein neues, solides Konzept für die Zwischenlager.
Die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll läuft auf vollen Touren. Ende September 2020 legte die „Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)“ den Zwischenbericht Teilgebiete vor, der mögliche Gebiete für eine weitere Erkundung für ein Atommüll-Endlager aufführt. Im Anschluss an die Veröffentlichung des Berichts richtete das zuständige Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) die "Fachkonferenz Teilgebiete" ein. In diesem Beteiligungsgremium sollten alle Betroffenen den Bericht bis Mitte 2021 an drei Terminen kommentieren. Eine Beteiligung auf Augenhöhe war unter diesen Bedingungen nicht möglich, weshalb viele BUND-Aktive aus dem Prozess ausgestiegen sind. Auch wenn das bisherige Verfahren nicht gut läuft, da es an Transparenz und Beteiligung mangelt, lehnt der BUND die Endlagersuche nicht rundweg ab.
- Der BUND bekennt sich zur Verantwortung für ein Endlager in Deutschland.
- Der BUND fordert maximale Transparenz und optimale Beteiligung auf Augenhöhe im Verfahren.
- Der BUND spricht sich für das nach objektiven Kriterien sicherste Endlager aus.
Endlagersuche in Süddeutschland
Der Zwischenbericht umfasst 90 sogenannter Teilgebiete, die 54% des Bundesgebiets betreffen. Vier davon liegen in Baden-Württemberg. Diese vier Gebiete betreffen weit über die Hälfte der Fläche Baden-Württembergs und umfassen neben einer Tonschicht, dem sogenannten Opalinuston, auch drei Gebiete mit kristallinem Gestein. Ob sich eines oder mehrere dieser Gebiete wirklich für ein Endlager eignen, ist aus den vorliegenden Daten nicht ersichtlich. Hierzu sind umfangreiche weitere Untersuchungen notwendig.
Da der BUND sich zur Verantwortung für ein Endlager bekennt, spricht er sich gegen eine pauschale Ablehnung eines Endlagers in Süddeutschland bzw. in einer bestimmten Region in Süddeutschland aus.
Endlagersuche in der Schweiz
Auch die Schweiz setzt bei der Endlagersuche auf Opalinuston. Sie erkundet im Grenzgebiet zu Baden-Württemberg die dort nur etwas mehr als 100 Meter dünne Schicht aus Opalinuston. Expert*innen gehen davon aus, dass sich Opalinuston wegen seiner Eigenschaften prinzipiell für die Einlagerung hochradioaktiven Atommülls eignet. Die Auswahl des Lagerstandorts erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren, das im „Sachplan geologisches Tiefenlager“ festgelegt wurde. Momentan stehen drei Standorte in unmittelbarer Grenznähe zur Diskussion: Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost.
Direkt betroffen wären die Bewohner*innen in den Landkreisen Waldshut, Lörrach und Konstanz. Wenn versehentlich Radioaktivität in den Rhein gelangt, wäre die Trinkwasserversorgung von Millionen Menschen bedroht. Daher setzt sich der BUND für Transparenz und grenzüberschreitende Beteiligung ein, bei der die deutschen Bürger*innen dieselben Rechte haben wie die Schweizer*innen. Zudem fordert der BUND einen Staatsvertrag auf Bundesebene, in dem diese Beteiligungsrechte rechtsverbindlich geregelt sind (Stellungnahme des BUND BW zur Endlagersuche in der Schweiz; pdf).
Atommüll aus Baden-Württemberg
Im Südwesten fiel Atommüll vor allem bei der Stromproduktion in den Atomkraftwerken an. Die Brennelemente werden nach einer mehrjährigen Abkühlphase in Castoren verladen und in die Standort-Zwischenlager gebracht. In Neckarwestheim und Philippsburg stehen jeweils rund 150 Castor-Stellplätze zur Verfügung.
Weniger im Fokus der Öffentlichkeit steht der Müll, den die Atomforschung produziert. In Baden-Württemberg sind hier drei Institute aktiv: Das Institut für Transurane (ITU), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie die im Rückbau befindliche Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe (WAK). Auf dem KIT Campus Nord befinden sich zudem Zwischenlager beziehungsweise Sammelstellen für radioaktive Abfälle.
Häufig gestellte Fragen und Antworten
Die Grundlage des Berichts bildeten schon vorhandene geologische Daten. Er stellt eine erste Vorfestlegung innerhalb eines mehrstufigen Verfahrens dar, das, so die Planungen der Behörden, bis 2031 zum Standort mit der höchsten Sicherheit für eine Lagerung des Atommülls für die nächste eine Million Jahre führen soll. Informationen zum geplanten Prozess und zur Kritik des BUND daran finden Sie unter www.bund.net/endlagersuche.
Der Bericht ist mit seinen vielen Anlagen extrem umfangreich. Er geht aber im Bezug auf einzelne Teilgebiete nicht in eine Tiefe, die eine Beurteilung einzelner Gebiete zulassen. Hierfür sind die einzelnen Gebiete, die sich zum Teil ein Mal quer durch Deutschland ziehen, viel zu groß. Es kann ausgeschlossen werden, dass so große Schichten auch nur annähernd ähnliche Eigenschaften haben. Die wissenschaftliche Bewertung des Berichts wird sich voraussichtlich trotzdem einige Monate hinziehen – wenn sie denn angesichts fehlender Transparenz überhaupt möglich ist. Wichtig ist aus Sicht des BUND, dass das Ziel weiterverfolgt wird, den aus wissenschaftlicher Sicht sichersten Standort innerhalb Deutschlands für ein Endlager zu finden. Da es keine absolute Sicherheit geben kann, wäre es falsch, mögliche Standorte jetzt schon auszuschließen. Standorte können und sollten im Prozess nur dann ausgeschlossen werden, wenn andere Standorte aus wissenschaftlicher Sicht sicherer sind. Das heißt, es muss um eine vergleichende Betrachtung gehen.
Mit Opalinuston als mögliche Gesteinsschicht für ein Endlager hatten wir als BUND gerechnet. Überrascht sind wir davon, dass neben dem Opalinuston drei weitere Regionen mit Kristallingestein (z.B. Granit) für ein Atommüll-Endlager in Baden-Württemberg infrage kommen könnten. Natürlich kennen wir die alten Berichte der Bundesbehörden, die neben dem Opalinuston auch Salzgestein und Kristallingestein thematisiert haben. Doch die jetzt veröffentlichten Gebiete gehen weit über das hinaus, was in der Vergangenheit in den Berichten zu finden war.
Jeder Standort für ein Atommüll-Lager hat Nachteile, so wird es auch mit den verschiedenen Teilgebieten vor unserer Haustür sein und es wird keinen Ort mit 100-prozentiger Sicherheit geben!
- Tongestein lässt kaum Wasser durch, leitet allerdings schlecht die entstehende Wärme ab.
- Salz umschließt einerseits die Abfälle gut, andererseits ist es wasserlöslich und kann aggressive radioaktive Laugen bilden.
- Kristallin bzw. Granit ist sehr stabil und wärmeunempfindlich. Allerdings kann Wasser eindringen, was eine zweite Barriere nötig macht.
Der BUND mahnt, die Atommülllager-Suche nicht bereits zu Beginn scheitern zu lassen. Die Weichen des Verfahrens müssen am Anfang richtig gestellt werden. Bereits seit drei Jahren arbeitet der BUND intensiv in Gesprächen mit dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), auf Veranstaltungen und in Stellungnahmen daran, das Verfahren auf das richtige Gleis zusetzen.
Der BUND fordert vollständige Transparenz durch Offenlegung und Erläuterung aller Daten und Methoden, sowie Nachvollziehbarkeit von der Anwendung der Kriterien bis zu den Ergebnissen – und das spätestens mit der Veröffentlichung des Zwischenberichtes. Die bisherige Atompolitik hat alle Glaubwürdigkeit verspielt – nur wer mit offenen Karten spielt, kann das verlorengegangene Vertrauen zurückgewinnen.
Für den BUND ist Beteiligung auf Augenhöhe von Anfang an eine wichtige Voraussetzung für die Suche nach einem Atommülllager. Nur durch die Bereitstellung ausreichender zeitlicher und finanzieller Ressourcen für Verbände und Betroffenezur Überprüfung des Berichts u.a. durch unabhängige wissenschaftliche Expertise besteht die Chance auf echte Mitsprache. Betroffenen müssen ausreichend Klagemöglichkeiten gewährt werden.
Der BUND kritisiert, dass schon jetzt politische Interessen in die Suche einfließen. Aus Sicht des BUND muss Sicherheit an oberster Stelle stehen. Die Suche muss vergleichend erfolgen und nach nachvollziehbaren, wissenschaftlichen Kriterien ablaufen. Gorleben muss daher sofort ausscheiden.