Beim BUND arbeiten zahlreiche Expert*innen rund um die Themen Klima-, Umwelt-, und Naturschutz. Oftmals ist die Arbeit komplex und schwer nachzuvollziehen. Die Onlineredaktion hat mit der BUND-Projektleiterin Energiesparen Irmela Colaço über die Digitalisierung, das Arbeiten im Homeoffice und die Auswirkungen unseres digitalen CO2-Fußabdrucks auf das Klima gesprochen.
BUND-Redaktion: Hallo Irmela, hier in der Online-Redaktion arbeiten wir fast ausschließlich digital – und jetzt im Homeoffice häufig mit Videochats. Ist das ein Problem?
Videochats sind Gold wert, um sich miteinander auch unter Kontaktbeschränkungen oder über Distanz auszutauschen. Wir sollten dringend überlegen, ob wir auch unabhängig von der Corona-Pandemie zukünftig einige Dienstreisen durch Videokonferenzen ersetzen. Damit ließen sich viele Tonnen an Treibhausgasen vermeiden. Und dass der BUND auch online für den Umwelt- und Naturschutz aktiv sein muss, um möglichst viele Menschen zu erreichen, versteht sich von selbst. An eurer Arbeit ist also erstmal nichts auszusetzen. (lacht)
Dann hat die Digitalisierung nur Vorteile?
Nein, ganz so leicht ist es nicht. Denn egal, wo und wofür wir uns im digitalen Raum bewegen: Wir hinterlassen ganz reale ökologische Spuren. Die werden leicht vergessen. Dabei sollten wir sie möglichst klein halten.
Welche Spuren sind das?
Zum einen geht es um den Abbau von Rohstoffen, die für die Herstellung von Handys und anderen Geräten gebraucht werden, wie zum Beispiel Lithium oder Kobalt. Dabei wird vor allem in ärmeren Ländern des globalen Südens massiv die Natur zerstört und Menschen, auch Kinder, arbeiten häufig unter grausamen Bedingungen. Außerdem wird jede Menge Energie verbraucht, um die abgebauten Rohstoffe zu Geräten zu verarbeiten. Und letztlich fallen auch beim Betrieb der Geräte Energiekosten an.
Aber wie groß ist das Problem mit dem steigenden Energiebedarf wirklich? Stimmt die Behauptung: "Streamen ist das neue Fliegen"?
Wir haben vom Öko-Institut abschätzen lassen, welchen CO2-Fußabdruck wir durch unseren digitalen Alltag hinterlassen. Pro Person kommen im Schnitt 740 Kilogramm Treibhausgase pro Jahr zusammen. Das entspricht der Klimawirkung eines Flugs von München nach Madrid und wieder zurück. Eine ganze Menge also.
Allerdings ist in dieser Rechnung nicht nur der Energieverbrauch fürs Streamen drin, sondern auch für die Herstellung von verschiedenen Geräten und für die Zeit, in der wie sie für andere Anwendungen als das Streamen nutzen. Insofern hinkt der Vergleich vom Streamen und Fliegen natürlich.
Das meiste CO2 fällt doch bei der Produktion von Geräten an. Spielt es da überhaupt eine Rolle, ob ich als Verbraucher*in weniger Playstation spiele oder einen energieeffizienteren Fernseher nutze?
Das stimmt. Am meisten CO2 spart, wer wenig neue Geräte kauft und diese noch dazu lange nutzt. Aber auch bei der Nutzung lassen sich jede Menge Treibhausgase sparen. Viele "smarte" Geräte sind zum Beispiel immer auf Abruf und ziehen so unbemerkt viel Energie. So können über 100 Euro zusätzlich an Stromkosten pro Jahr anfallen. Je kleiner außerdem der Bildschirm, auf dem wir ein Video anschauen, desto weniger Energie verbrauchen wir: bei uns zuhause und auch für die Übertragung von Daten beim Streamen. Denn je kleiner der Bildschirm, desto weniger Auflösung, also Daten, brauche ich für ein scharfes Bild.
Die Digitalisierung schreitet weltweit voran. Verschärft das die Klimakrise?
Das kommt darauf an, wie sie gestaltet wird. Digitalisierung ist ja nicht per se gut oder schlecht. Für eine nachhaltige Digitalisierung sind aber nicht nur wir als Nutzer*innen gefragt. Die Politik muss hier den richtigen Rahmen setzen. Das heißt zum Beispiel, dass durch gesetzliche Standards dafür gesorgt wird, dass Handy, Tablet und smarter Fernseher lange haltbar sind, leicht repariert werden können und wenig Energie verbrauchen. Oder dass beispielsweise bei der Verkehrsplanung gefragt wird: Wie kann die Digitalisierung dazu beitragen, dass Menschen ohne eigenes Auto von A nach B kommen? Statt die Digitalisierung nur dafür zu nutzen, dass es weniger Staus gibt.
[...] Rechenzentren sind im vergangenen Jahrzehnt wie Pilze aus dem Boden geschossen. Allein im Raum Frankfurt haben sich laut Borderstep Institut die Rechenkapazitäten im vergangenen Jahrzehnt vervierfacht. Für das Jahr 2021 wird eine weitere Steigerung um 25 Prozent erwartet. Gleichzeitig ist nur wenig über die genaue Anzahl, die genauen Standorte, geschweige denn den Energieverbrauch der Serverfarmen bekannt. Durch den mangelnden Überblick und die mangelhafte Regulierung verpuffen zum Beispiel Unmengen an Abwärme ungenutzt in die Luft, anstatt in die Wärmeversorgung der Region eingebunden zu werden. Hier gibt es politisch also noch viel zu tun!