Pestizide töten - auch die Biodiversität
Die Silbe „Pest“ kann durch die Organismengruppe ersetzt werden, die ausgeschaltet werden soll: Insektizide bringen Insekten um, Fungizide Pilze, Herbizide Gräser und Kräuter, Rodentizide Nagetiere, Molluskizide Schnecken. Die Chemikalien wirken nicht spezifisch. Ein Insektizid, das dem schädlichen Maiswurzelbohrer den Garaus macht, bringt auch nützliche Marienkäfer um, ein Herbizid, das die lästige Ackerkratzdistel beseitigt, vernichtet auch Ackerwildkräuter wie Klatschmohn oder Kornrade.
Der Einsatz von Pestiziden gehört zu den wichtigsten Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert im Umweltgutachten 2016 einen besseren Schutz der Biodiversität vor Pestiziden. Eine im Juli 2016 veröffentlichte Studie aus England stellte einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Insektiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide und dem Rückgang von Wildbienenbeständen fest. Eine quantitative Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld in Zusammenarbeit mit dem NABU hat gezeigt, dass die Biomasse verschiedener Insektengruppen seit den 1990er Jahren um bis zu 80 Prozent zurückgegangen ist.
Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft
Der in Deutschland und weltweit am meisten eingesetzte Pestizidwirkstoff ist Glyphosat. Aufgrund des breiten Einsatzes wird das Totalherbizid inzwischen im Grund- und Oberflächenwasser, in Brötchen, Trauben und Bier und im menschlichen Urin regelmäßig nachgewiesen. Der Sachverständigenrat für Krebserkrankungen der WHO stuft den Stoff als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ ein. Im Laborversuch löst er Zell-Selbstmord aus, es gibt Hinweise auf hormonähnliche Wirkungen. Aus Südamerika, wo Glyphosat zusammen mit genveränderten Pflanzen auf riesigen Flächen eingesetzt wird, wird über gravierende Gesundheitsschäden bis zu Missbildungen bei Kindern berichtet.
Der BUND fordert
- Strenge Pestizidreduktionsziele auf Bundes- und Länderebene!
- Einführung einer Pestizidabgabe!
- Schärfere Anforderungen an die Zulassung von Pestiziden !
Nicht zugelassen dürfen Wirkstoffe, die im Verdacht stehen, Krebs auszulösen, Missbildungen zu verursachen, hormonähnlich zu wirken, Honig- und Wildbienen oder andere Nicht-Ziel-Organismen erheblich, auch subletal, zu beeinträchtigen oder Wasserorganismen zu schädigen.
Nach der Verlängerung der Zulassung für Glyphosat um 18 Monate durch die EU-Kommission muss das Bundeslandwirtschaftsministerium glyphosathaltige Pestizide mit strengen Auflagen zum Schutz von Umwelt sowie Verbraucher*innen belegen:
- Keine Anwendung in Haus- und Kleingärten
- Keine Anwendung auf öffentlichen Flächen
- Keine Vorerntebehandlung (ohne Schlupflöcher)
- Auflagen zum Schutz der Biodiversität
Welche Handlungsmöglichkeiten hat das Land?
Dieser Zusatz kann beispielsweise im Bereich der Grundanforderungen „Erzeugerkontrolle Grundanforderungen Getreide, Ölsaaten, Hülsenfrüchte, Hopfen“ aufgenommen werden. Er würde das Profil des QZ BW im Sinn umweltverträglich erzeugter Premium-Produkte schärfen.
Außer dem Öko-Landbau, der vollständig auf chemisch-synthetische Pestizide verzichtet, gibt es im Erzeugergemeinschaften im Land, die auf bestimmte besonders problematische Stoffe, beispielsweise auf Glyphosat, verzichten. Durch entsprechende Nachfrage können Institutionen des Landes diese unterstützen.
Das Agrarumweltprogramm FAKT setzt viele richtige Akzente. Der BUND erwartet, dass das Land dieses Instrument zum Beginn der neuen Förderperiode ab 2020/2021 nutzt, um eine richtungsweisende Reduktion der ausgebrachten Pestizid-Mengen zu erreichen. Für dieses Ziel werden in den nächsten zwei Jahren die Weichen gestellt.
§ 4 Absatz 3 Ziffer 2 der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) des Landes Baden-Württemberg verbietet den Einsatz von Terbuthylazin und Tolylfluanid in Wasserschutzgebieten. Glyphosat wird regelmäßig im Grundwasser nachgewiesen – sofern danach gesucht wird. In älteren Grundwasserberichten der LUBW wird Glyphosat regelmäßig unter den am häufigsten nachgewiesenen zugelassenen Wirkstoffen aufgeführt. Der Wirkstoff wurde 2002 zum letzten Mal ins Analyseprogramm aufgenommen. Der BUND erwartet, dass Glyphosat in § 4(3)2. SchALVO aufgenommen wird.
Der BUND erwartet, dass das Land seiner Vorbildrolle gerecht wird und ein Beispiel für Bewirtschaftung ohne glyphosathaltige Herbizide gibt – bei verpachteten Flächen über Pachtverträge, bei selbst bewirtschafteten Flächen durch Anweisung. Eventuelle wirtschaftliche Einbußen von Pächter*innen können falls nötig durch Reduzierung der Pachtpreise ausgeglichen werden.
Ein derartiges Gesetz wurde unter Minister Gerhard Weiser eingeführt und galt in Baden-Württemberg von 1991 bis 2005. Die Hoffnung, die der Landtag mit der Aufhebung des Gesetzes verbunden hat, es sei durch bundesweite Regelungen überflüssig geworden, hat sich nicht erfüllt: Bundesweit sind zahlreiche, auch hoch problematische, Stoffe für Haus- und Kleingärten zugelassen, darunter viele glyphosathaltige Mittel.