BUND-Rechtsgutachten: Bundesverkehrswegeplan ist verfassungswidrig

07. Oktober 2021 | Artenschutz (BW), Flächenschutz (BW), Verkehr (BW), Mobilität, Naturschutz, Umweltpolitik (BW)

Ein Rechtsgutachten belegt, dass der Bundesverkehrswegeplan die EU-rechtlichen Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung nicht erfüllt. Der BUND Baden-Württemberg fordert die Landesregierung auf, sich für eine Neubewertung der baden-württembergischen Straßenbauprojekte einzusetzen.

Ein Bagger steht auf einer Fläche bei Minseln, auf der später die A 98 verlaufen soll. Neue Straßen zerschneiden Lebensräume von Tieren und Pflanzen.  (Uli Faigle / BUND Hochrhein)

Stuttgart/Berlin. Anlässlich der anstehenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene veröffentlicht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein von ihm in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zum Bundesverkehrswegeplan. Dieses Gutachten zeigt, dass sowohl der Fernstraßenbedarfsplan (Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz vom 23.12.2016) als auch der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 die EU-rechtlichen Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung nicht erfüllen. Darüber hinaus beachten die Pläne die Belange des Klimaschutzes nicht entsprechend des Klimabeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23.04.2021 und sind deshalb unions- und verfassungsrechtswidrig. Auch Straßenneubauprojekte in Baden-Württemberg sind hiervon betroffen.

Kretschmann muss sich für Neubewertung der Straßenbauprojekte einsetzen

Klaus-Peter Gussfeld, Verkehrsreferent beim BUND Baden-Württemberg, betont: „Das Gutachten zeigt: Die Fernstraßenplanungen, die zu einer Erhöhung der Treibhausgasemissionen führen, sind mit Grundgesetz und Klimaschutzgesetz nicht vereinbar. Statt immer neue und größere Straßen zu bauen, brauchen wir gerade in ländlichen Regionen mehr öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn. Der Verkehrssektor bleibt für einen Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich, Klimaschutzziele lassen sich mit immer neuen Straßen nicht einhalten. Und auch Artenvielfalt und Biodiversität leiden unter immer neuen, immer größeren Straßenbauten. Wir erwarten deshalb von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass er sich dafür einsetzt, dass Projekte wie die Hochrheinautobahn A 98 oder die B 31 schnell gestoppt und unter Berücksichtigung aller Klima- und Naturschutzaspekten neu bewertet werden.“

Das nun vorliegende Rechtsgutachten bestätigt die langjährige Position des BUND auf ganzer Linie. „Wir hatten bereits bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans zu vielen Straßenbauprojekten – beispielsweise zur Hochrheinautobahn A 98, zur B 31 am Bodensee und am Kaiserstuhl sowie zum Nordostring Stuttgart oder zur B 29 im Ostalbkreis – klima- und naturverträglichere Alternativplanungen eingereicht. Teilweise hat auch das damalige baden-württembergische Ministerium für Verkehr und Infrastruktur diese BUND-Alternativen aufgegriffen und beim Bundesverkehrsministerium gleichberechtigt angemeldet. In keinem Fall sind diese Alternativen ausreichend geprüft worden. Diesen rechtswidrigen Zustand muss die neue Bundesregierung schleunigst korrigieren“, erläutert Gussfeld.

Fehlplanung der letzten Jahrzehnte korrigieren

2022 steht die Überprüfung des Fernstraßenbedarfsplans an. Diese Überprüfung muss Anlass sein, die Fehlplanung der letzten Jahrzehnte einer Generalüberholung zu unterziehen. Ziel einer Überarbeitung und Neubewertung aller Verkehrsinfrastrukturprojekte muss sein, die Emissionsbudgets des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Bis 2030 müssen dafür die Treibhausgasemissionen im Verkehr, wie im Klimaschutzgesetz vorgegeben und vom Bundesverfassungsgericht unterstrichen, nahezu halbiert werden. Nur mit einer deutlichen Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und einer Stärkung des öffentlichen Verkehrs und Radverkehrs lässt sich dieses Ziel erreichen.

Die neue Bundesregierung muss die Mobilitätswende endlich voranbringen. Deshalb ruft der BUND mit vielen anderen für den 8. - 10. Oktober zu einem dezentralen Aktionswochenende auf. Bundesweit bringen Menschen ihre Forderungen auf die Straße.

 

Hintergrund:

Das vom BUND in Auftrag gegebene Gutachten zeigt auf, dass der Bundesverkehrswegeplan erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Er ist weder mit dem Ziel der Klimaneutralität noch mit Artikel 20a des Grundgesetzes vereinbar. Dieser besagt, dass der Staat auch für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen sowie der Tiere verantwortlich ist. Das Pariser Klimaabkommen sieht eine Begrenzung auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau vor. Der BVWP 2030 hat die Ziele des Pariser Klimaabkommens aber gar nicht berücksichtigt, sondern orientierte sich an anderen Maßgaben. Es ist auch nicht erkennbar, dass eine Einhaltung der Minderungsziele für den Verkehrssektor bei Realisierung der im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Straßenprojekte gelingen kann. Es ist deshalb fraglich, ob dieser Plan noch bindend für die einzelnen Fernstraßenprojekte einen Bedarf vorgeben kann.

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