Verbandsklagen: Der BUND als Anwalt der Natur

Seit Einführung der Verbandsklage hat der BUND Baden-Württemberg in zahlreichen Fällen von seinen Klagemöglichkeiten Gebrauch gemacht, um Natur- und Umweltzerstörung zu verhindern und dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen wieder Recht und Stimme zu geben.

Rote Mohnblumen wachsen auf einer Wiese. Da Pflanzen und Tiere ihr Recht nicht selbst verteidigen können, nehmen die Verbände diese Aufgabe „stellvertretend“ wahr.  (Laura Buschhaus / BUND BW)

Die Klagerechte des BUND, aber auch anderer anerkannter Umwelt- und Naturschutzverbände wurden in den letzten Jahrzehnten – nicht zuletzt aufgrund der internationalen Aarhus-Konvention und der europäischen Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie, die Schritt für Schritt im deutschen Recht umgesetzt wurde – erheblich ausgeweitet. Sie machen den BUND quasi zu einem „Anwalt der Natur“. Da Natur und Umwelt „ihr“ Recht nicht selbst verteidigen können, nehmen die Verbände diese Aufgabe „stellvertretend“ wahr. Seit Einführung der Verbandsklage hat der BUND Baden-Württemberg in zahlreichen Fällen von seinen Klagemöglichkeiten Gebrauch gemacht, um Natur- und Umweltzerstörung zu verhindern und dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen wieder Recht und Stimme zu geben.

Dieses rechtliche Instrument muss verantwortungsvoll genutzt werden, damit es ein „scharfes Schwert“ bleibt. Verbandsklagen sind für den BUND daher nur das letzte Mittel, wenn alle anderen Möglichkeiten der politischen und behördlichen Einflussnahmen ausgeschöpft und erfolglos geblieben sind. Und klar juristisch belegt ist, das vor Gericht gute Erfolgsaussichten bestehen. Drei Beispiele aus der Praxis:

 

Beispiel: Beschleunigtes Bauen auf der grünen Wiese

Mithilfe des § 13b des Baugesetzbuchs haben viele, vor allem kleinere Gemeinden im ländlichen Raum reihenweise neue Einfamilienhausgebiete auf großzügigen Grundstücken am Ortsrand ausgewiesen – beschleunigtes Bauen ohne Umweltprüfung und ohne Ausgleichsmaßnahmen. Die Folgen sind zunehmender Flächenverbrauch, Siedlungsbrei aus freistehenden Einfamilienhäusern statt Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Verlust von wertvollen Streuobstwiesen und biologischer Vielfalt, Vernachlässigung der städtebaulichen Innenentwicklung und der Nachverdichtung.
Der BUND nahm ein geplantes 13b-Baugebiet in Gaiberg bei Heidelberg zum Anlass, diese Fehlentwicklungen auf den rechtlichen Prüfstand zu stellen. Es geht dabei um weit mehr als um eine wertvolle Streuobstwiese. Der BUND strebte vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim an, einige rechtliche Grundsatzfragen zu klären: Beispielsweise, ob europarechtliche Vorgaben missachtet werden und wie weit die städtebaulichen Grundsätze eines Vorrangs der Innenentwicklung und des sparsamen Umgangs mit Fläche rechtlich reichen.

Unsere Bemühungen, den Außenbereich von Gemeinden vor ausufernder Bebauung durch Einfamilienhäuser zu schützen, haben vor Gericht im Mai 2022 zunächst einen herben Rückschlag erlitten. In einem Beschluss lehnte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim einen Eilantrag des BUND gegen diesen § 13b-Bebauungsplan überwiegend ab. In ihrem Beschluss hielten die obersten Verwaltungsrichter des Landes § 13b des Baugesetzbuchs (BauGB) für vereinbar mit dem Europarecht. Auch sei der im BauGB verankerte Vorrang der Innenentwicklung keine zwingende Planungsvorgabe für die Gemeinden, sondern lediglich im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Da der VGH in seinem Urteil eine Revision zugelassen hatte, machte der BUND davon Gebrauch, um auf höchster verwaltungsgerichtlicher Ebene klären zu lassen, ob deutsches Baurecht europäische Vorgaben zur Umweltverträglichkeit aushebeln darf. Mit Erfolg: Im Juli 2023 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig den vom BUND angegriffenen Bebauungsplan in Gaiberg bei Heidelberg wegen der Europarechtswidrigkeit des § 13 b Baugesetzbuch (BauGB) für unwirksam erklärt. Die Bedeutung dieses Urteils geht jedoch weit über den Einzelfall hinaus. Noch laufende Bebauungsplanverfahren müssen nun im ordentlichen Verfahren geführt werden und Bebauungspläne, deren Verkündung des Satzungsbeschlusses noch nicht länger als ein Jahr zurück liegt, sind angreifbar.

Kommentar zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2023

FAQ zum Paragraf 13b und den Konsequenzen des Grundsatzurteils

 

Beispiel: Sanierung einer Giftmülldeponie

Wie kann die Bevölkerung effektiv vor einer Giftmülldeponie geschützt werden? Um diese Frage ging es in einem Verfahren in Grenzach-Wyhlen am Hochrhein. In einer Müllgrube nahe dem Ortszentrum lagern seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts unkontrolliert Abfälle aus der Basler Industrie. Darunter hochgiftige Stoffe, die bei unverändert fortbestehender Lagerung ein hohes ökologisches Risiko für mehrere tausend Jahre darstellen. Fest steht: Die Grube muss dringend saniert werden.

Das Sanierungskonzept der Firma BASF sieht vor, die Schadstoffe in den nächsten 50 bis 100 Jahren mit einer Umspundung und hydraulischen Maßnahmen zu sichern. Damit soll vor allem der Eintrag von Schadstoffen in das Grundwasser und in den Rhein verhindert werden. Das Gelände soll außerdem mit einer Oberflächenabdichtung überdeckelt werden. Im Jahr 2014 erklärte das Landratsamt Lörrach den Sanierungsplan der BASF für verbindlich. Hiergegen erhoben der BUND, einige Gemeinden und eine Baugenossenschaft Einspruch. Ende 2017 erhoben sie Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg mit dem Ziel, statt der Einkapselung einen Totalaushub zu erreichen. Sonst werde die Verantwortung weiter an zukünftige Generationen verschoben.

Im Dezember 2019 hat das Verwaltungsgericht Freiburg in erster Instanz die Klagen gegen den Sanierungsplan abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts sind die Kläger nicht klageberechtigt. Das Gericht ließ die Berufung ausschließlich für den BUND wegen grundsätzlicher Bedeutung einiger Fragen zu. Nachdem auch der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Klagebefugnis des BUND bestritten hatte, zog der BUND vor das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig. Im Juni 2023 haben die obersten deutschen Verwaltungsrichter der Revision stattgegeben und damit geklärt, dass Umweltverbände ein Klagerecht bei der Sanierung von Altlasten haben. Damit muss nun der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg unter Berücksichtigung der Hinweise des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache entscheiden, wie es um die Sanierung der Giftmülldeponie steht. Allerdings hat die Firma BASF als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts inzwischen angekündigt, die geplante Einkapselung ihres Anteils der Müllgrube zu stoppen und eine ergebnisoffene Neubewertung des Sanierungsvorgehens durchzuführen.

Webseite der BUND-Ortsgruppe Grenzach-Wyhlen

 

Beispiel: Neue Brücke für den Autoverkehr

Der Bau neuer Straßen erhöht in Folge meistens das Verkehrsaufkommen, weil in Folge mehr Menschen das Auto nutzen. Damit gelingt keine Verkehrswende zu mehr Schienen-, Rad- und Fußverkehr. Außerdem werden beim Bau neuer Straßen Lebensräume von Tieren und Pflanzen zerstört. Aus diesen Gründen hat sich der BUND von Anfang an gegen den Bau der sogenannten zweiten Rheinbrücke zwischen Wörth und Karlsruhe ausgesprochen. 2017 reichte er Klage vor dem VGH in Mannheim ein.
Mit einem Vergleich zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem BUND Landesverband Baden-Württemberg endete die jahrelange Auseinandersetzung im Sommer 2020 überraschend. Auf Vorschlag des VGH und vor dem Hintergrund einer drohenden Niederlage vor Gericht gelang es dem BUND, substanzielle Verbesserungen für den Radverkehr, für den öffentlichen Verkehr sowie bei Naturschutzmaßnahmen zu erreichen. Im Gegenzug wird mit dem Vergleich das Klageverfahren beendet. Die Umweltschützer*innen konnten ihr Ziel, die zusätzliche Straßenbrücke mit einer Klage in Baden-Württemberg zu verhindern, leider nicht erreichen. Mit dem verhandelten Vergleich ist es dem BUND als Vertreter eines breiten Bündnisses allerdings gelungen, überfällige Schritte zukunftsgerichteter Verkehrsplanung auf den Weg zu bringen.

Webseite des BUND-Regionalverbands Mittlerer Oberrhein

 

Erfahrungen mit Verbandsklagen

Unsere Erfahrungen belegen: Die Klagerechte der Umweltverbände sind ein unverzichtbares Korrektiv in allen Planungsverfahren. Allein durch die Möglichkeit einer Klage planen die Behörden und die Privatwirtschaft gründlicher und achten intensiver auf Umwelt- und Naturschutzbelange. Werden Klagerechte ausgehebelt, entfällt dieses Korrektiv und der Stellenwert unserer Belange sinkt im Planungsprozess. Nur wer die Axt am Umweltrecht anlegen will, der schränkt die Klagerechte ein. Dagegen wehrt sich der BUND intensiv.

Der BUND als Anwalt der Natur

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