Am 14. März 2021 wählen die Bürger*innen in Baden-Württemberg eine neue Landesregierung. Für NABU und BUND steht fest: Die kommende Landesregierung muss beim Klima-, Umwelt- und Naturschutz nochmal deutlich Gas geben. „Auch wenn die Corona-Pandemie die Welt in Atem hält, dürfen wir die Klima- und die Biodiversitätskrise als Jahrhundertaufgaben nicht aus dem Blick verlieren. Beide rasen ungebremst voran. Trotz einiger Erfolge für Natur und Umwelt unter der grün-schwarzen Landesregierung, muss sich die Landespolitik noch stärker anstrengen als bisher“, betonten der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle und BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch bei der Vorstellung ihrer zehn Kernforderungen auf ihrer heutigen (26.10.) Landespressekonferenz.
Klimaschutzgesetz noch in den ersten 100 Tagen korrigieren
Ein zentraler Punkt in den Forderungen der Verbände ist der Klimaschutz: „Die kommenden Jahre entscheiden darüber, ob wir die Klimakrise in den Griff bekommen oder nicht. Damit wir die Klimaziele von Paris einhalten und die Erderhitzung auf ein gerade noch erträgliches Maß von 1,5 Grad begrenzen, muss die neue Landesregierung gleich in den ersten hundert Tagen das Klimaschutzgesetz korrigieren. Bis 2030 sind die CO2-Emissionen um 90 Prozent zu reduzieren, bis 2035 muss Baden-Württemberg klimaneutral sein“, fordert BUND-Chefin Pilarsky-Grosch. Das jetzt im Klimaschutzgesetz verankerte Reduktionsziel von gerade einmal minus 42 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 reiche bei weitem nicht aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.
Ausbau der Wind- und Solarenergie beschleunigen
Neben Energieeinsparungen im Gebäude- und Verkehrssektor fordern NABU und BUND einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien: „Wir müssen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien viel schneller vorankommen als bisher“, steht für NABU-Landeschef Enssle fest. „Das neue Klimaschutzgesetz muss die Ausbauziele für Wind- und Sonnenenergie auf regionaler Ebene verbindlich festschreiben. „Für die Windenergie fordern die Verbände einen Systemwechsel: Weg von der komplizierten Einzelfallplanung, hin zu einer landesweiten Umsetzung mit Vorranggebieten – jeweils für die Windenergie einerseits und für den Schutz windenergiesensibler Vogel- und Fledermausarten andererseits. „Nur durch einen solchen Systemwechsel können wir sowohl die Klima- als auch die Naturschutzziele schnell genug erreichen“, betont Enssle.
Potenziale der Sonnenergie voll ausschöpfen
Großes Potenzial für die Energiewende sehen die beiden Verbände in der Nutzung der Solarenergie. „Die im aktuellen Klimaschutzgesetz verankerte Photovoltaik-Pflicht für Nicht-Wohngebäude ist ein guter erster Schritt, aber noch lange nicht ausreichend. Das Potenzial der Sonnenenergie ist enorm. Landauf, landab bauen wir immer noch Häuser mit dunklen Dächern, die sich im Sommer besonders stark aufheizen, ohne dass dort bisher die Energie der Sonne sinnvoll genutzt wird. Wir brauchen eine konsequente Nutzung auch dieser Dachflächen und eine Solarpflicht bei Dachsanierungen, damit wir eine Chance haben, die Erderwärmung einzudämmen“, so die BUND-Geschäftsführerin.
Mobilität neu denken
Der Verkehr auf den Straßen ist das Sorgenkind des Klimaschutzes. Baden-Württemberg kann hier keine Fortschritte bei der Senkung der CO2-Emissionen vorweisen. Im Gegenteil: Autos und Lastwagen stoßen so viele Treibhausgase aus wie nie zuvor. Die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr lagen 2017 um zwölf Prozent höher als 1990. „Zukünftig dürfen Investitionen nur noch in eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs fließen und keine neuen Straßen mehr gebaut werden – sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Mit der Einführung einer Nahverkehrsabgabe in den Kommunen muss das Land den ÖPNV finanziell stärken“, fordert die BUND-Landesgeschäftsführerin.
Flächen gewinnen statt verbrauchen
„Jedes Jahr 2.490 Fußballplätze – das ist die Fläche, die in Baden-Württemberg neu bebaut, zubetoniert oder überteert wird, täglich in Summe 4,8 Hektar. Der Flächenverbrauch schreitet damit ungebremst voran. Vom Ziel der Netto-Null bis 2030, wie es im aktuellen Koalitionsvertrag steht, sind wir meilenweit davon entfernt. Das Land ist gefordert, seine Ziele zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und zum Freiraumschutz gegen-über den Kommunen zu verschärfen“, fordern Enssle und Pilarsky-Grosch.
Erfolge im Naturschutz finanziell hinterlegen
Trotz der Kritik beim Klimaschutz, beim Verkehr und beim Flächenverbrauch sehen die Verbände auch Erfolge, insbesondere im Naturschutz, für den Grün-Schwarz mehr Finanzmittel und dringend benötigtes Personal bereitgestellt hat. „Das neue Biodiversitätsstärkungsgesetz war und ist ein Meilenstein in der Naturschutzpolitik des Landes und hat bundesweite Strahlkraft“, erklärt Enssle. „Mehr Ökolandbau, weniger Pestizide und gemeinsam mit Landwirt*innen, Land und Kommunen im Einsatz für mehr Artenvielfalt – das ist das Rezept dieses Gesetzes“, beschreibt Enssle. „Doch noch ist das Gesetz vor allem ein Katalog von Zielen. Damit wir diese Ziele rechtzeitig und umfassend erreichen, müssen die Parteien nach der Wahl Kurs halten und die notwendigen Mittel bereitstellen. Der Mittelaufwuchs von sechs Millionen Euro pro Jahr im Naturschutzhaushalt ist dafür zwingend erforderlich.“ Ebenso brauche es Investitionen in die Förderprogramme der Landwirtschaft.
In die Artenvielfalt der Agrarlandschaft investieren
Gerade im Landwirtschaftssektor besteht für BUND und NABU immer noch Alarmstufe rot für die Artenvielfalt. „Ehemals häufige Arten wie Rebhuhn und Feldhamster drohen auszusterben. Wir können das Artensterben nur stoppen, wenn wir in diesem Bereich mehr tun“, fordert Enssle. Etwa 225 Millionen Euro zusätzlich für die ökologische Ausrichtung der Agrarförderprogramme des Landes sind nötig, haben die Verbände in ihrer Studie „Kulturlandschaft 2030“ vergangenen Oktober vorgerechnet. „Obwohl die finanziellen Spielräume der zukünftigen Landesregierung sicherlich enger werden, darf der Schuldenberg unseres Landes bei der Natur nicht weiterwachsen.“
Den Zukunftsdialog zwischen Naturschutz, Landwirtschaft, Landesregierung und Kommunen für die Artenvielfalt zur Rolle der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft gelte es in der kommenden Legislaturperiode unbedingt fortzusetzen und zu intensivieren, unabhängig von der Farbe der Parteien in der Landesregierung. Daher sollte sich dieser Dialog auch in den Wahlprogrammen aller Parteien zur Landtagswahl wiederfinden, appellieren Enssle und Pilarsky-Grosch.
Die Erde erhalten, wie wir sie kennen
Die beiden Verbandsspitzen von NABU und BUND erwarten von den Parteien, die zur Landtagswahl antreten, sich intensiv mit den Forderungen der beiden größten Umwelt- und Naturschutzverbände im Land zu befassen und Natur- und Umweltschutz ins Zentrum ihrer Wahlprogramme zu rücken. „Wir haben nur eine Erde und müssen uns beeilen, sie so zu erhalten, wie wir sie kennen“, warnen Pilarsky-Grosch und Enssle.
Weitere Informationen und Termine:
- Die Forderungen von BUND und NABU zur Landtagswahl
- Online-Konferenzen von BUND und NABU: am 11.11.20 zu den Themenfeldern Umwelt- und Klimaschutz, am 02.12.20 zu Naturschutz und Landwirtschaft; mit Fachpolitiker-/innen der Landtagsfraktionen
- Podiumsdiskussion der Verbände mit den Fraktionsvorsitzenden am Montag, 04.01.2021, 10 – 11.30 Uhr (wird digital übertragen)
Kontakte für Rückfragen:
- Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgeschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V., sylvia.pilarsky-grosch(at)bund.net