Gewässerschutz nicht verwässern! Naturschutzaktive fordern einen starken europäischen Gewässerschutz

05. Januar 2019 | Artenschutz (BW), Flüsse & Gewässer, Naturschutzpolitik (BW)

700 Naturschutzaktive fordern mit ihrer Aktion #ProtectWater den besseren Schutz von Flüssen, Seen und Bächen.

Naturschützer*innen demonstrieren für einen besseren Gewässerschutz. Nur acht Prozent unserer Bäche, Flüsse und Seen in Deutschland sind in einem guten ökologischen Zustand – 92 Prozent sind es nicht.  (Frank Müller)

Auf den Naturschutztagen schlagen BUND und NABU in Baden-Württemberg angesichts des schlechten Zustands vieler Gewässer Alarm: Nur acht Prozent der Bäche, Flüsse und Seen in Deutschland sind in einem guten ökologischen Zustand – 92 Prozent sind es nicht. Viele Flüsse und Bäche sind außerdem stark verbaut. Im Südwesten kann praktisch kein Fluss mehr frei fließen. Grund dafür sind die massiven Eingriffe des Menschen in Flussläufe und Auen sowie Stoffeinträge aus der Landwirtschaft und der Industrie. Auf den Naturschutztagen haben mehr als 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einer Aktion für einen starken Gewässerschutz in der EU protestiert.

Herzstück des Gewässerschutzes in Europa ist die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). „Die WRRL ist der Garant dafür, dass unsere Flüsse und Bäche im Land sauberer werden. Klare Flüsse, Seen und Grundwasservorräte sind überlebenswichtig für Tiere, Pflanzen und uns Menschen. Die EU-Richtlinie sichert damit auch den Schutz und Erhalt des Bodensees als größtem Trinkwasserspeicher Europas“, so die Landeschefs von BUND und NABU, Brigitte Dahlbender und Johannes Enssle. 

Spätestens bis 2027, so das bereits mehrfach nach hinten verschobene Ziel der Richtlinie, sollen alle Gewässer in einem „guten Zustand“ sein. Als gut werden Gewässer ausgewiesen, die ihrem natürlichen Zustand sehr nahe sind. Darüber entscheiden verschiedene Faktoren: Welche Fische, Kleinlebewesen, Algen und Wasserpflanzen leben im Wasser? Wie steht es um Temperatur oder Sauerstoffgehalt? Und wie hoch ist die Konzentration umweltgiftiger Stoffe? Auch die Struktur von Ufer und Gewässersohle oder die Durchlässigkeit eines Flusses sind entscheidend, also ob etwa eine Forelle ungehindert im Neckar von Tübingen bis Heidelberg schwimmen kann. Allerdings erfüllt bisher keines der 16 deutschen Bundesländer diese Anforderungen.

Fitness-Check: Gewässerschutz in Europa in Gefahr

2019 unterzieht die EU-Kommission die WRRL einem Fitness-Check, der die Wirksamkeit der Richtlinie überprüfen soll. Die Richtlinie wird dabei evaluiert und angepasst. Doch die EU-Wasserkonferenz im September 2018 hat gezeigt: Der Schutz unserer Gewässer ist in Gefahr. Auf Druck der industriellen Landwirtschaft wird die EU wahrscheinlich die Qualitätsstandards herabsetzen. „Weil die bisherigen Bemühungen Deutschlands und anderer EU-Mitgliedstaaten nicht ausreichend waren, um die Ziele des europäischen Gewässerschutzes zu erreichen, droht jetzt mit dem Fitness-Check eine Verwässerung der Richtlinie. Damit wird das Prinzip der Umweltvorsorge auf den Kopf gestellt. Schon jetzt erreicht kaum ein Gewässer in Deutschland einen guten ökologischen Zustand. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Standards im Gewässerschutz aufgeweicht und herabgesetzt werden. Vielmehr muss die EU alles daransetzen, damit die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden“, fordern Dahlbender und Enssle. 

Die Auswirkungen der WRRL in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg hat das Umweltministerium bereits mitgeteilt, dass trotz vieler Anstrengungen nur wenige Gewässer bis 2021 einen guten ökologischen Zustand erreichen werden. NABU und BUND gehen sogar davon aus, dass weiterhin nur ein einziger kleiner Abschnitt der Donau an der bayerischen Grenze die Kriterien erfüllt. Bei den Seen ist die Lage etwas besser. Das Land will daher die Zeit bis 2027 nutzen, um die EU-Richtlinie zu erfüllen. „Das Land bemüht sich redlich, bindet die Öffentlichkeit bei der Umsetzung vor Ort ein und gibt Studien in Auftrag, um Probleme zu lösen. Doch schon jetzt ist klar, dass diese Bemühungen nicht ausreichen werden, um die ehrgeizigen Ziele der WRRL in ganz Baden-Württemberg zu erreichen.“

Die größten Defizite verzeichnen BUND und NABU bei der Hydromorphologie: „In unserem Gewässersystem ist der Weg für Wanderfische wie Lachs oder Äsche und andere Wasserlebewesen wie Flusskrebse, Bachmuscheln oder Köcherfliegenlarven leider häufig versperrt. Zu viele Staustufen und Wehre portionieren die Flüsse in eine Kette von Freigehegen. Für die Wasserlebewesen fehlt dann die richtige Strömung, um sie über das Hindernis zu leiten.“ 

„Mit unserem Appell sind wir Teil eines breiten Bündnisses aus mehr als hundert Verbänden in ganz Europa, die sich in der Initiative #ProtectWater zusammengeschlossen haben. Wir rufen daher alle Menschen in Baden-Württemberg auf, sich unserem Appell anzuschließen und mit ihrer Unterschrift ein deutliches Zeichen für einen ambitionierten Gewässerschutz zu setzen.“ 

Hintergrund EU-Wasserrahmenrichtlinie – ein scharfes Schwert:

  • 2000 hat die EU die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verabschiedet und damit eine Vielzahl an Einzelrichtlinien zum Gewässerschutz ersetzt. Sie schreibt vor, dass die europäischen Gewässer im Jahr 2015 oder – mit zweimaliger Verlängerung um sechs Jahre – spätestens 2027 einen „guten“ ökologischen und chemischen Zustand erreichen müssen. 

  • Gewässer werden in der WRRL flussgebietsbezogen von der Quelle bis zur Mündung betrachtet und sowohl nach ihrer chemischen als auch biologischen Wasserqualität beurteilt. Tiere, Pflanzen und Gewässerstrukturen fließen in die Bewertung mit ein.

  • Ziel der Richtlinie ist es, in allen Gewässern wieder möglichst naturnahe Strukturen mit wenigen Schadstoffen zu schaffen, damit die typischen Tiere und Pflanzen dort leben können. 

  • Die Qualitätsziele der WRRL: weitgehend natürliches Vorkommen von Pflanzen und Fischen in Gewässern; Durchgängigkeit von Bächen und Flüssen für alle Lebewesen; sanierte, naturnahe und naturbelassene Uferzonen; Schadstoffkonzentrationen innerhalb der Grenzwerte.

  • Aktuell wird die Wirksamkeit der Richtlinie überprüft („Fitness-Check“). Bis zum 4. März 2019 läuft die öffentliche Konsultation. Umwelt- und Naturschutzverbände in ganz Europa rufen alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, mit ihrer Unterschrift für einen starken Gewässerschutz zu stimmen. Sie warnen vor Fristverlängerungen und einem Aufweichen der WRRL. Mitmachen beim Fitness-Check!

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