BUND Landesverband
Baden-Württemberg

43. Naturschutztage: BUND und NABU warnen, Schwächung der EU hätte fatale Folgen für Umwelt- und Naturschutz

04. Januar 2019 | Artenschutz (BW), Flüsse und Gewässer (BW), Landwirtschaft, Naturschutzpolitik (BW), Streuobst (BW), Schmetterlingsland (BW), Biotopverbund (BW)

Verbände fordern nach starkem Gewässerschutz und Agrarwende im Land.

Landesvorsitzende von BUND (Dahlbender) und NABU (Enssle) bei der Pressekonferenz der 43. Naturschutztage am Bodensee. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND und Johannes Enssle, Landesvorsitzender des NABU in Baden-Württemberg appellieren an die Bürger und Bürgerinnen im Land: „Engagieren Sie sich! Gehen Sie im Mai 2019 wählen. Und geben Sie dem Umwelt- und Naturschutz eine Stimme.“  (Claudia Wild / NABU BW)

Das Jahr 2019 ist ein ganz entscheidendes für den Umwelt- und Naturschutz in ganz Europa und somit auch in Baden-Württemberg. „Am 26. Mai ist Europawahl. Der Wind, der aus Brüssel zu uns weht, entscheidet auch im Südwesten über den Kurs im Naturschutz und darüber, ob es mit der Biodiversität voran- oder zurückgeht. Wir setzen uns für ein starkes Europa der Einheit und des Friedens ein. Kleinstaaterei und nationalstaatliche Egoismen schwächen auch den Schutz der Natur in Europa“, betonen Johannes Enssle, Landesvorsitzender des NABU in Baden-Württemberg, und Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND. „Für den Umwelt- und Naturschutz ist die EU ein sehr wichtiger Akteur. Mehr als 80 Prozent der Gesetze in diesem Bereich leiten sich aus Europäischen Richtlinien und Verordnungen ab.“ Die Landes-Chefs von BUND und NABU appellieren an die Bürger und Bürgerinnen im Land: „Engagieren Sie sich! Gehen Sie im Mai 2019 wählen. Und geben Sie dem Umwelt- und Naturschutz eine Stimme.“

Beide Landesvorsitzende betonen: „Bei vielen Themen unserer Zeit hat die EU das Ruder in der Hand. Im Umwelt- und Naturschutz gibt sie mit Natura 2000, der Wasserrahmenrichtlinie, der Agrarförderung oder den Verordnungen zu Feinstaub maßgeblich die Richtung vor. Die EU entscheidet, ob in Zukunft in den Flüssen Europas sauberes Wasser fließt, die Menschen in den Städten saubere Luft zum Atmen haben, die Klima- und Energiewende gelingt, unsere Landwirtschaft zukunftsfähig wirtschaftet oder wir den dramatischen Artenschwund stoppen können. All diese Fragen hängen direkt damit zusammen, ob die europäischen Mitgliedstaaten auf EU-Ebene bereit sind, die großen Probleme unserer Zeit gemeinsam anzupacken.“ Bei zahlreichen Umweltnormen sowie bei Bürgerinnen- und Verbraucherrechten habe die EU bereits bewiesen, dass sie es kann.

Wichtige Weichenstellungen der EU für die Landwirtschaft

2019 entscheidet die EU darüber, wofür sie die rund 58 Milliarden Euro im Haushalt – fast 40 Prozent des gesamten EU-Budgets – für die Jahre 2021 bis 2027 einsetzen will. „Die Landwirtschaft erhält das größte Stück des Kuchens, trägt jedoch kaum zum Klima- und Artenschutz in Europa bei. Ganz im Gegenteil: Die intensive Landwirtschaft treibt das Artensterben voran, lässt Insekten- und Vogelbestände etwa bei Rebhuhn und Feldlerche einbrechen und ist mit 7,2 Prozent der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen in Deutschland nach Energie und Verkehr“, führt Johannes Enssle aus.

Die BUND-Vorsitzende Dahlbender ergänzt: „Mit der Agrarpolitik der EU finanzieren wir alle mit unseren Steuern ein gigantisches Artenvernichtungsprogramm. Wir brauchen dringend die Wende in der Agrarpolitik.“ Umgerechnet zahle jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger 114 Euro pro Jahr für diese Agrarpolitik, rechnen die Verbände vor.

Dahlbender weiter: „Die Entwicklungen in der europäischen Agrarpolitik betreffen auch uns in Baden-Württemberg unmittelbar. Die Gemeinsame Agrarpolitik hat Einfluss darauf, wie die Fördergelder verteilt werden, wie sich unsere Kulturlandschaften entwickeln und wie Landwirte ihre Felder bewirtschaften. Sie beeinflusst auch, ob wir die bäuerliche Landwirtschaft erhalten können, die wir unbedingt brauchen für Weidewirtschaft und Schäferei.“
 

Zukunftsfähige Landwirtschaft fördern

Bisher fließen aber 77 Prozent der Mittel aus dem Agrartopf über die sogenannten Direktzahlungen an die Landwirte, ohne dass damit besondere Leistungen verbunden sind. „Dieses Gießkannenprinzip ist höchst ineffizient und wurde auch vom Europäischen Rechnungshof bereits mehrfach kritisiert“, sagt Enssle. „Wir fordern: Öffentliches Geld darf es nur für öffentliche Leistungen geben.“ Die Verbände befürchten, dass eine Umsetzung des aktuellen Haushaltsplanentwurfs von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger dieses Missverhältnis weiter verschärft: Die Direktzahlungen an die landwirtschaftlichen Betriebe sollen lediglich um 3,9 Prozent gekürzt werden. Die Zahlungen zur Förderung des Ländlichen Raums, wozu Agrarumweltprogramme, Vertragsnaturschutz und Tierschutzmaßnahmen gehören, dagegen um 15,3 Prozent. „Gespart wird an der Umwelt, am Tierschutz und bei den ländlichen Räumen. Das ist ein fatales Signal“, sind sich NABU und BUND einig.

Verbände warnen vor Unterbietungswettbewerb beim Umweltschutz

Am 1. Juni hat EU-Agrarkommissar Phil Hogan seine Vorschläge zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 auf den Tisch gelegt. Er gibt zwar hehre Ziele vor, möchte den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung jedoch maximale Freiheit geben. „Wir befürchten, dass damit der Basar eröffnet wird für die niedrigsten Umweltstandards in der EU. Die Reform könnte so zu einem ökologischen Desaster führen“, befürchtet Enssle. Für Baden-Württemberg mit seinen vielfältigen Kulturlandschaften und der kleinräumigen Agrarstruktur hätte das finanzielle Folgen.

EU-Förderpolitik wirkt sich auf Südwesten aus

In den zwei zurückliegenden Legislaturperioden hat Baden-Württemberg die Haushaltsmittel für den Naturschutz und für die Landschaftspflege von 30 auf 90 Millionen Euro verdreifacht. Mit einem Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt wurden zusätzlich 36 Millionen Euro zur Stärkung der biologischen Vielfalt bereitgestellt. Die Landespflegerichtlinie und das Förderprogramm FAKT für Landwirtschaft und Landschaftspflege wurden nachjustiert und stärker an ökologischen Zielen ausgerichtet. Außerdem setzt sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch persönlich in Brüssel und Berlin für eine ökologische Reform der Agrarpolitik ein. „Das ist alles sehr gut und löblich. Und dennoch leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Studien zufolge bräuchten wir bundesweit 1,4 Milliarden Euro, um die gesetzten Naturschutzziele umzusetzen“, warnt Dahlbender. Und Enssle fügt an: „Wir halten ein schizophrenes System am Leben. Wir geben Milliarden für die Intensivierung der Landwirtschaft aus und versuchen die schlimmsten Folgen mit vergleichsweise geringen Beträgen im Naturschutz zu heilen. Ohne eine grundlegende Reform der Geldflüsse in der Landwirtschaft verpuffen die besten Maßnahmen.“

Europawahl 2019: Ihre Stimme für Natur- und Umweltschutz

Abschließend erklären die beiden Landesvorsitzenden: „Wir brauchen eine starke und mutige EU, um die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, die Landwirtschaft naturverträglicher zu machen und das Artensterben vor unserer Haustüre zu stoppen. Deshalb ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger am 26. Mai zur Wahl gehen und für ein starkes, zukunftsgerichtetes Europa stimmen.“

Kontakt für Rückfragen (nicht zur Veröffentlichung):

Dr. Brigitte Dahlbender, BUND-Landesvorsitzende, brigitte.dahlbender(at)bund.net

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