Schon seit Längerem bleiben die Netze der Felchenfischer am Bodensee leer. Der beliebte Speisefisch ist selten geworden. Aktuelle Pläne der Genossenschaft „RegioBodenseeFisch“ sehen deshalb vor, Felchen in riesigen Netzgehegen heranzuzüchten. Doch die Mastanlagen bedrohen die Naturschätze des Bodensees, die Heimat von geschützten Tier- und Pflanzenarten sowie die Trinkwasserqualität in Baden-Württemberg. Daher haben Naturschützer*innen eine Resolution verabschiedet und den Felchen-Mastanlagen im Bodensee eine klare Absage erteilt. Die Vorsitzenden des BUND und NABU Baden-Württemberg, Brigitte Dahlbender und Johannes Enssle, lehnen die Pläne strikt ab.
Zu erwarten ist, dass bei der Zucht in Netzgehegen Reinigungsmittel, Antibiotika und Pestizide eingesetzt werden müssen und zusammen mit Futterresten und Kot das Trinkwasser aus dem Bodensee verunreinigen. „Die wirtschaftlichen Partikularinteressen Weniger rechtfertigen nicht die Eingriffe in die Natur noch die Gefährdung unserer Trinkwasserversorgung“, so die BUND-Landeschefin Dahlbender. Über vier Millionen Menschen aus rund 320 Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg trinken das Wasser aus dem Bodensee. „Die Reinhaltung des Trinkwassers und die Gesundheit der Menschen müssen immer Vorrang haben. Es muss eine andere Lösung gefunden werden.“
Denkbar für BUND und NABU in Baden-Württemberg ist die Felchenzucht an Land, sofern bei der Aufzucht das Tierwohl höchste Priorität hat, kein Fischöl oder Fischmehl verwendet und das Abwasser gereinigt wird.
Naturjuwelen am Bodensee bedroht
Auch sehen die Naturschützer*innen viele seltene Pflanzen- und Tierarten bedroht. Die Felchen-Mastanlagen sollen im Überlinger See inmitten von FFH- und Vogelschutzgebieten entstehen. Die Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH) sind Teil des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000, das dem Erhalt europaweit bedeutender Lebensraumtypen, Tier- und Pflanzenarten dient. „Die Kolbenente und vom Aussterben bedrohte Armleuchteralgen-Arten leben hier. Sie sind auf sauberes Wasser angewiesen“, so Enssle.
In den Schutzgebieten aus dem Obersee liegen wertvolle Naturjuwelen wie das Rheindelta oder das Eriskircher Ried. Der Bodensee ist zudem Drehkreuz der europäischen Zugvögel. „Wir haben eine besondere Verantwortung für die geschützten Vogelarten aus ganz Europa, die am Bodensee rasten und überwintern. Dieser Verantwortung für den europäischen Vogelschutz können wir uns nicht entziehen“, stellt Enssle klar.
Wenige dafür – Viele dagegen
Nicht nur Naturschützer*innen sind gegen die Felchenmast, auch lehnt der Großteil der Berufsfischer*innen die Pläne ab. Ebenso wie der Landkreis Konstanz, Friedrichshafen oder zahlreiche Gemeinden am Überlinger See wie Sipplingen und Meersburg, die Bodenseewasserversorgung sowie die Landtagsfraktion der Grünen. Bei der Antragstellern der Netzgehege handelt es sich um eine Genossenschaft weniger Fischer und vieler Großvermarkter.
Aquakulturen: Image-Schaden für Bodenseefelchen
„Die Aufzucht in Aquakulturen hat einen Bumerang-Effekt zur Folge und liefert keine langfristige Lösung für die Berufsfischer*innen. Die Zuchtfelchen machen den Wildfängen Konkurrenz und schaden dem Image des ‚Bodenseebrots‘ Felchen“, so die Verbandsspitzen von BUND und NABU in Baden-Württemberg. Die geimpften Zuchtfische können Krankheiten übertragen. Das teilweise aus Fischmehl, Fischöl und sogar aus gentechnisch verändertem Soja bestehende Fischfutter schadet den Fischen, den Gewässern und unserer Umwelt. „Der scheinbare Ausweg schlägt letztendlich mit viel größeren Problemen zurück. Das Image der Bodenseefelchen als hochwertiges und unbelastetes Produkt wäre durch die Zuchtfelchen gefährdet.“
Einfallstor für industrielle Fischerei
Noch ist die Fischzucht im Bodensee verboten. Und das soll auch so bleiben. Denn würde die Bodenseerichtlinie geändert und die Felchenmast erlaubt, könnte das der Startschuss für die industrielle Fischproduktion im großen Stil sein. „Die beiden großen Natur- und Umweltschutzverbände fordern von Landwirtschaftsminister Hauk, die Pläne nicht weiter zu unterstützen und in keinem Fall die Bodenseerichtlinie zu ändern“, betonen Dahlbender und Enssle.
Weitere Informationen:
- Hier finden Sie die vollständige Resolution (PDF).
Kontakt für Rückfragen:
- Dr. Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e. V., brigitte.dahlbender(at)bund.net
- Angela Koch, Referentin für Öffentlichkeits- und Pressearbeit, BUND Baden-Württemberg, mobil: 0176.24043107, angela.koch(at)bund.net