BUND Landesverband
Baden-Württemberg

BUND findet Ewigkeits-Chemikalien in Leitungswasser in Stuttgart

23. April 2024 | Trinkwasser (BW), Chemie, Flüsse & Gewässer, Umweltgifte, Ressourcen & Technik, Umweltpolitik (BW)

Der BUND hat in zehn Städten Leitungswasser auf PFAS Ewigkeits-Chemikalien testen lassen. In Stuttgart wurden die Schadstoffe Trifluoressigsäure und Melamin gefunden.

 (Julia Ellerbrock / BUND BW)

BUND sieht Hersteller in der Pflicht

Stuttgart. In der heute veröffentlichten BUND-Studie zu Ewigkeits-Chemikalien in Leitungswasser wird das Ausmaß der Belastung deutlich: Die Leitungswasserproben aus neun von zehn Städten enthielten mindestens einen der drei analysierten Schadstoffe. Am häufigsten wurde die zu den PFAS zählende Chemikalie Trifluoressigsäure gefunden – so auch in Stuttgart. Außerdem wurde im Stuttgarter Leitungswasser die Ewigkeits-Chemikalie Melamin, die etwa in Kinder- und Campinggeschirr zu finden und vermutlich krebserregend ist, nachgewiesen. Die Konzentrationen sind nach aktuellem Kenntnisstand nicht direkt gesundheitsschädlich. Allerdings sind die Ewigkeits-Chemikalien mit herkömmlichen Wasseraufbereitungsmethoden nicht zu entfernen. Dadurch wird die Trinkwasseraufbereitung in Zukunft immer aufwändiger und teurer.

Trinkwasseraufbereitung wird immer aufwändiger und teurer

Der BUND fordert angesichts der PFAS-Verschmutzung Hersteller in die Pflicht zu nehmen, sowohl in der Chemieindustrie wie auch im Handel. Kai Baudis, stellvertretender Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, betont: „PFAS sind ein krasses Beispiel für die vollständige Umkehr des Verursacherprinzips. Sie werden von einigen wenigen Firmen bis heute in die Umwelt eingetragen, die Folgen haben aber andere zu tragen: Die Wasserversorger, die sich mit dem fast unlösbaren Problem in ihren Trinkwässern rumschlagen müssen und letztendlich natürlich die Verbraucher, die mit PFAS belastetes Trinkwasser konsumieren müssen. Auch bei PFAS muss das Verursacherprinzip gelten: Wer sie herstellt oder in den Handel bringt, trägt die Verantwortung und muss auch die resultierenden umweltökonomischen Kosten tragen.

PFAS: Allgegenwärtig und deshalb ein Problem

Die weitreichende Verschmutzung der Umwelt mit PFAS ist eine Gefahr für die Gesundheit. Bereits 2021 stellte das Bundesinstitut für Risikobewertung fest, dass die tatsächlich täglich aufgenommene PFAS-Menge durch belastete Nahrungsmittel – wie etwa durch Fisch und Fleisch – bereits über dem kritischen Wert liegt. Eine Beeinträchtigung des Immunsystems durch die Chemikalien kann nicht ausgeschlossen werden.

Um die weitere Zunahme der Verschmutzung aufzuhalten, muss die Produktion und Verwendung von Ewigkeits-Chemikalien eingeschränkt werden, sagt Baudis: „Wenn jetzt nicht die Emissionen gestoppt werden, werden auch die Werte in unseren Wasserressourcen steigen. Dabei sind PFAS zurzeit die sichtbarsten, aber bei weitem nicht die einzigen Problemstoffe. Wir fordern ein umfassendes PFAS-Verbot in Deutschland und in der EU. Dafür muss sich die Landesregierung über den Bundesrat stark machen.“ 

PFAS verteilen sich in der Umwelt über Jahrhunderte

Die zunehmende Verschmutzung führt schon heute in einigen Regionen zu höheren Kosten bei den Wasserversorgern, um sauberes Trinkwasser bereitstellen zu können. Einmal in die Umwelt gelangt, lassen sich Ewigkeits-Chemikalien – wenn überhaupt – nur mit großem Aufwand wieder zurückholen. Sie sind sehr langlebig, oft auch mobil und verweilen und verteilen sich in der Umwelt über Jahrhunderte. Die Kosten für eine Sanierung im Schadensfall, zum Beispiel bei Böden, sind erheblich. Der bekannte PFAS-Schadensfall bei Rastatt führte bereits zu Wasserpreissteigerungen von mehr als 20 Prozent.

 

Hintergrund:

BUND-ToxFox-Wassertest zur Belastung von Leitungs- und Mineralwasser:
Der BUND hat fünf Mineralwässer und zehn Leitungswasser aus den Städten Berlin, Frankfurt am Main, Stuttgart, Osnabrück, Kiel, Burgdorf, Celle, Neustadt an der Weinstraße, Meschede und dem EU Parlament in Brüssel testen und auswerten lassen.

Neun von zehn Leitungswasserproben und drei von fünf Mineralwässern enthielten mindestens einen Schadstoff. Am häufigsten wurde eine Chemikalie der PFAS-Gruppe gefunden: Trifluoressigsäure. Die PFAS-Konzentrationen lagen zwischen 50 und 1100 ng/L im Leitungswasser und zwischen 50 und 200 ng/L im Mineralwasser. Damit wird der gesundheitliche Leitwert des Umweltbundesamtes für Trifluoressigsäure von 60.000 ng/L in keiner Probe überschritten. Dies gilt auch für den strengeren Richtwert der niederländischen Behörden RIVM von 2200 ng/L. Ab 2026 gilt der neue europäische Trinkwasser-Grenzwert 100 ng/L für die Summe von 20 expliziten PFAS (darunter nicht Trifluoressigsäre). Zusätzlich wird in Deutschland ab 2028 ein Trinkwasser-Grenzwert von 20 ng/L für die Summe von vier besonders häufig in Menschen gefundenen PFAS gelten. Für Mineralwasser gelten keine PFAS Grenzwerte. Auf EU-Ebene wird zurzeit eine Beschränkung der gesamten Stoffgruppe PFAS diskutiert.

Redaktionshinweis: Der BUND ToxFox-Wassertest beinhaltet Reaktionen von EU Politiker*innen auf die Testergebnisse in ihren Wohnorten: Delara Burkhardt (SPD), Jutta Paulus (Grüne), Michael Bloss (Grüne) und Carola Rackete (Linke). Keine Stellung bezogen haben Ursula von der Leyen (CDU), Hildegard Bentele (CDU), Isabell Schnitzer (FDP), Peter Liese (CDU) und Tiemo Wölken (SPD).

 

Mehr Informationen:

 

Kontakt für Rückfragen:

Kai Baudis, Stellvertretender Landesvorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V., kai.baudis(at)bund.net

 

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