BUND Landesverband
Baden-Württemberg

Natura 2000 – das europäische Schutzgebietsnetz

Die Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH) sind Teil des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000, das dem Erhalt europaweit bedeutender Lebensraumtypen, Tier- und Pflanzenarten dient. Der BUND setzt sich ein für einen starken Schutz und ein gutes Management der FFH-Gebiete und der Vogelschutzgebiete als wichtigste Bausteine des landesweiten Biotopverbundes.

Der BUND fordert von Baden-Württemberg:

  • Alle Natura 2000-Gebiete umgehend sichern!
  • Laufende Vertragsverletzungsverfahren ernst nehmen und die Mängel beheben!
  • Schädliche Eingriffe in Natura 2000-Gebiete konsequent verhindern!
  • Personal in den Naturschutz- und Forstbehörden aufstocken und besser ausbilden!
  • Artenschutzprogramme erarbeiten und zügig umsetzen!
  • Kontrollen zur Einhaltung von Gebiets- und Artenschutzbestimmungen verstärken!
  • Schutz darf nicht an Zuständigkeiten unterschiedlicher Behörden scheitern!
  • Mehr Transparenz bei Prüfungen zum Artenschutz!
  • Monitoring der EU-relevanten Arten und Lebensraumtypen einrichten, das überregional organisiert und staatlich finanziert ist!
  • Subventionen aus der EU-Agrarpolitik (GAP) endlich für den Naturschutz einsetzen.
  • Forstliche Eingriffe in Wäldern auf Verträglichkeit mit Schutzzielen prüfen und bislang entstandene Schäden ausgleichen!

Europa wirkt bis nach Baden-Württemberg

Die Aktion des BUND zu Natura 2000 und der Resolution. Aktive des BUND und NABU setzten sich bereits bei den Naturschutztagen 2016 für einen stärkeren Naturschutz in Europa ein.  (Frank Müller / BUND BW)

Wussten Sie, dass es 212 FFH- und 90 Vogelschutzgebiete in Baden-Württemberg gibt? Und dass dieses Natura 2000-Netz 17,54 Prozent der Landesfläche abdeckt? Etwa zwei Drittel dieser Flächen liegen im Wald. Allerdings läuft die Sicherung dieser Schatzkammern der Natur im Offenland nur schleppend. In Wäldern steht dem Schutz meist die forstwirtschaftlichen Nutzung entgegen. Dabei hängt der Erfolg von Natura 2000 im Land auch entscheidend an der gelungenen Umsetzung der FFH-Richtlinien in den Wäldern Baden-Württembergs.

Der BUND arbeitet seit 1972 an der Erhaltung der Lebensräume im größten FFH-Gebiet Baden-Württembergs „Bodanrück und westlicher Bodensee“. Die FFH-Pflanzenarten Sumpf-Glanzkraut (Liparis loeselii), die Bauchige Windelschnecke (Vertigo moulinsiana) oder die Sommer-Drehähre (Spiranthes aestivalis) sind hier in einem guten Erhaltungszustand.

Natura 2000 schützt Lebensräume, Tiere und Pflanzen

Die FFH- und die Vogelschutz-Richtlinien der Europäischen Union haben zwei Ziele, die beide dem Erhalt der Artenvielfalt dienen. Einerseits werden bedrohte und seltene Arten direkt geschützt, indem ihr besonderer oder strenger Schutz in den deutschen Naturschutzgesetzen festgelegt wird.

Dazu gehören alle wild lebenden Vogelarten (außer der Stadttaube) und viele weitere Tier- und auch Pflanzenarten, die in den Anhängen der FFH-Richtlinie aufgeführt sind. Andererseits werden auch seltene und bedrohte Lebensraumtypen, wie beispielsweise extensive Mähwiesen oder Auwälder unter Schutz gestellt.

Alle sechs Jahre muss Baden-Württemberg den Erhaltungszustand der geschützten Arten und Lebensraumtypen an das Bundesamt für Naturschutz (BfN) für den nationalen Bericht an die Kommission der Europäischen Union (EU) übermitteln. Die drei letzten Berichte (2007, 2013 und 2019) kamen zu ernüchternden Ergebnissen. Vor allem in Gewässern, bei artenreichen Wiesen und Weiden sowie seltenen Waldlebensräumen hat sich der Zustand verschlechtert. Der Bericht über den Zeitraum 2019 bis 2024 wird im Jahr 2025 erwartet.

Natura 2000 Arten (für mehr Infos bitte auf die Bilder klicken) 

 

Wer kümmert sich um die Natura 2000-Gebiete?

Seit 2021 sind die Management-Pläne für alle 212 FFH-Gebiete in Baden-Württemberg fertiggestellt. An den Gremien, die sich zur Erstellung der Pläne bildeten, war oft der BUND beteiligt. In den Management-Plänen sind neben der Erfassung zum Bestand von Lebensräumen und Lebensstätten, auch gezielte Maßnahmen zu deren Erhalt und Entwicklung beschrieben. Die Umsetzung der Maßnahmen soll aufgrund der naturschutzfachlichen Bedeutsamkeit vorrangig forciert werden. In manchen Landkreisen kommt dabei auch den Landschaftserhaltungsverbänden eine wichtige Rolle zu, da diese die zuständigen Behörden bei der Umsetzung von Maßnahmen, beispielsweise bei der Beratung von Flächenbewirtschaftenden, unterstützen.

Leider geht die Umsetzung der Maßnahmen in manchen Landkreisen nur schleppend voran. Gründe sind unter anderem fehlende Kapazitäten auf der unteren Verwaltungsebene für die meist sehr aufwendigen Planungen der Maßnahmen. Aber auch die teilweise veralteten Kartierungen von FFH-Lebensräumen oder die jahrelang unattraktive finanzielle Förderung für die Umsetzung von Maßnahmen erschwert die Arbeit vor Ort. In Waldgebieten kommt erschwerend hinzu, dass die Naturschutzbehörden oft zu wenig Einblick in die Artenzusammensetzungen im Wald haben und die Informationen in verschiedenen Systemen erfasst und nicht miteinander abgeglichen werden.

Sind die Natura 2000-Gebiete wirklich uneingeschränkt geschützt?

Die Naturschutzbehörden bei den Landratsämtern müssen Bauprojekte und andere Maßnahmen in Natura 2000-Gebieten überprüfen. Es geht dabei um die Frage, ob und wie die Natura 2000-Gebiete und ihre Erhaltungsziele durch die Eingriffe erheblich beeinträchtigt werden. In einer Verträglichkeitsprüfung bewerten die Naturschutzbehörden, ob ein Projekt nach der FFH- und EU-Vogelschutzrichtlinie zulässig ist.

Wenn nicht, müssen Naturschutzbehörde und Landratsamt ermitteln, ob eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann. Der BUND kritisiert diese Verfahren, weil die Naturschutzverbände bei der Vorprüfung, also der Klärung, ob eine erhebliche Beeinträchtigung bestehen könnte, nicht beteiligt werden. So erfahren Umwelt- und Naturschutzverbände oft viel zu spät von den Plänen oder Projekten. Es ist im Nachhinein schwierig zu beurteilen, ob die Behörde richtig entschieden hat.

Die Forstverwaltung in Baden-Württemberg (Forst BW) setzt auf einen sogenannten „integrativen Weg“. Dabei sollen die Erhaltungsziele und -maßnahmen in die Pläne zur Bewirtschaftung der Wälder im Land integriert werden und keine Verträglichkeitsprüfung mehr nötig sein. Allerdings ist das bisher noch nicht umgesetzt, viele der Prüfungen werden nicht richtig durchgeführt und die Ergebnisse nicht transparent gemacht.

Wie können die Natura 2000-Gebiete besser geschützt werden?

Problematisch ist auch die Landnutzung in den Natura 2000-Gebieten: Viele Landwirt*innen sowie private Waldbesitzende wissen oder akzeptieren nicht, dass sie FFH-Lebensraumtypen nicht zerstören oder übernutzen dürfen. Deshalb fordert der BUND von der baden-württembergischen Landesregierung und den Behörden, dass sie den Schutz von Natura 2000-Gebieten stärker thematisieren, Sanktionen für Fehlverhalten verhängen und mehr Naturschutzgebiete in den Natura 2000-Gebieten ausweisen. Denn in den Naturschutzgebieten ist rechtlich klar geregelt, was erlaubt ist und was nicht. Für die Beratung von privaten Waldbesitzenden gibt es bereits ein Konzept der Forstlichen Versuchsanstalt (FVA), nachdem in jedem Landratsamt auch eine Stelle für Natura-2000-Berater*innen der Forstbehörden geschaffen werden soll. Leider wurde die Finanzierung der Stellen von der Landesregierung bislang nicht bewilligt.

Natura 2000 und Europäische Union

Verbände von Industrie, Kommunen und Landnutzenden sehen ihre Interessen durch den Arten- und Biotopschutz bedroht und haben auf europäischer Ebene einen großen Einfluss. Die Naturschutzverbände und mit ihnen über eine halbe Million EU-Bürger*innen haben es 2016 in einer Petition geschafft, eine Verwässerung der Richtlinien abzuwehren – ein großer Erfolg! Nun muss es darum gehen, nicht nur den Status Quo zu erhalten, sondern mehr EU-Geld für den Gebiets- und Artenschutz zu bekommen – zulasten der umweltschädlichen Agrar- und Exportsubventionen.

Zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Die EU-Kommission sieht Mängel bei der Anwendung der Naturschutzrichtlinien in Deutschland. Im Juli 2019 hat sie ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, da nicht verhindert wurde, dass sich die Lebensräume von Bestäuberinsekten, Bienen und Schmetterlingen verschlechtern. Angemahnt wurde unter anderem der schnelle Verlust von artenreichem Grünland. Diese Mahnung trifft vor allem Baden-Württemberg. Denn das Land trägt innerhalb der Europäischen Union eine besondere Verantwortung für den Erhalt der sogenannten FFH-Mähwiesen. Der Schutz von Wiesen und Weiden in Baden-Württemberg muss verstärkt werden, um den dramatischen Verlust von Artenvielfalt stoppen zu können.

In einem weiteren Verfahren wurde eine Rüge durch die Kommission ausgesprochen, da viele der deutschen FFH-Gebiete immer noch nicht ausreichend gesichert sind. Auch dieses Verfahren betrifft Baden-Württemberg. Für alle FFH-Gebiete sind die Erhaltungsziele unvollständig, bei 80 davon fehlen zusätzlich die Erhaltungsmaßnahmen. Unzureichende Managementpläne verhindern eine passende Naturschutzpraxis vor Ort.

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