Stuttgart. Der NABU und der BUND in Baden-Württemberg trauern, wieder einmal, um wertvolle Streuobstbestände. Trotz gesetzlichem Schutz müssen die Biotope immer noch Wohn- und Gewerbeflächen weichen. Dies widerspricht den Zielen der Landesregierung zum Arten- und Klimaschutz sowie zur Erreichung der Netto-Null beim Flächenverbrauch.
„In Bretten sind im Hauruck-Verfahren die Bagger angerollt und haben in wenigen Stunden – trotz Widerspruch und Eilantrag des NABU – den Lebensraum seltener Vogel- und Fledermausarten platt gemacht“, kritisiert der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle die Rodung der Streuobstwiese auf den Herrgottsäckern bei Bretten. Der NABU-Landesverband hat gegen die Genehmigung zur Rodung der Bäume juristische Mittel eingelegt.
Bereits 2020 hatten der BUND Regionalverband Mittlerer Oberrhein und der Arbeitskreis Karlsruhe des Landesnaturschutzverbands (LNV) in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die Planungen zur Erweiterung des Industriegebiets Gölshausen gegen das Gebot zum Erhalt von Streuobstbeständen gemäß Landesnaturschutzgesetz verstößt. „Die fast 40, teils über hundertjährigen Obstbäume mit ihren Bruthöhlen waren Heimat für Mittelspecht, Gartenrotschwanz, Goldammer und acht Fledermausarten. Sie sind nun unwiederbringlich verloren“, erklärt Enssle. „Leider stellen wir landauf landab fest, dass die Landratsämter in Baden-Württemberg den gesetzlichen Schutz von Streuobstwiesen nicht richtig umsetzen, der nach dem Volksbegehren ,Rettet die Bienen‘ neu eingeführt wurde. Das wollen wir so nicht hinnehmen“, betont die BUND-Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch.
Landratsamt informiert NABU zu spät
Besonders erzürnt ist der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle im Brettener Fall angesichts des seltsamen Ping-Pong-Spiels zwischen dem Landratsamt Karlsruhe und der Stadtverwaltung von Bretten: „Der Antrag der Stadt auf Sofortvollzug ging kurz vor dem Wochenende ans Landratsamt, das bereits am Montag seine Zustimmung erteilt hat. Die Information kam aber erst sieben Tage später bei uns an, als alles zu spät war und die Bagger auf der Wiese standen.“ Das sei alles andere als faires Verwaltungshandeln und an Dreistigkeit nicht zu überbieten. „Einen einzigen Baum konnten wir noch retten, der jetzt als einsamer Apfelbaum auf der Wiese steht. Dieses Foulspiel werden wir nicht auf sich beruhen lassen“, kündigt Enssle an. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe will noch vor Weihnachten über den Fall entscheiden. Dann wird sich klären, ob der Baum stehen bleiben darf oder ob Landratsamt und Kommune mit ihrer rücksichtslosen Vorgehensweise durchkommen. Pilarsky-Grosch ergänzt: „Wir setzen darauf, dass die Landratsämter in Zukunft anders handeln und den Rechtsschutz beachten.“