Der Wald am Lammerskopf ist Lebensraum von zahlreichen Tieren und Pflanzen.
(Julius Schmidt/BUND BW)
- Vorsitzende von NABU und BUND machen sich vor Ort ein Bild des konfliktträchtigen Gebiets
- Gutachten der FFH-Verträglichkeitsprüfung weist erhebliche Mängel auf
- Naturschutzverbände fordern Artenhilfsprogramm für windenergiesensible Arten statt Windpark rund um den Lammerskopf
Stuttgart/Heidelberg. Der geplante Windpark am Lammerskopf bei Heidelberg stößt auf deutliche Kritik bei den großen Naturschutzverbänden im Land. Der Eingriff würde den Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten beschädigen. Die Vorsitzenden der Landesverbände von BUND und NABU, Sylvia Pilarsky-Grosch und Johannes Enssle, besichtigten in Begleitung von BUND- und NABU-Aktiven die potenzielle Vorrangfläche für Windenergie mitten in einem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) und machten sich ein Bild von den naturschutzfachlichen Konflikten.
Erhebliche Mängel im Gutachten
Im Rahmen der Windenergieplanungen auf dem Lammerskopf zwischen Heidelberg und Schönau hatte das Vorgutachten der FFH-Verträglichkeitsprüfung nahezu die gesamte Fläche der bewaldeten Bergkuppen des von ForstBW ausgeschriebenen Gebietes für naturschutzfachlich unproblematisch erklärt. Dabei leben dort streng geschützte und windenergiesensible Arten, wie die Bechsteinfledermaus, das Große Mausohr und die Mopsfledermaus. Als kritisch eingestuft wurden fast nur Flächen an sehr steilen Hängen, die sich für die Errichtung von Windenergieanlagen ohnehin nicht eignen. Diese Einstufung verwundert umso mehr, als dass sich dort weder die Baumbestände noch deren Bedeutung für die untersuchten Fledermausarten wesentlich von den anderen Flächen unterscheiden. Die Errichtung von zehn oder mehr Windenergieanlagen im Vorranggebiet würde die Schutzziele des FFH-Gebietes aus Sicht der Umweltverbände erheblich beeinträchtigen.
Johannes Enssle und Sylvia Pilarsky-Grosch fordern: „Der Regionalverband Rhein-Neckar muss das FFH-Gebiet vollständig aus dem Teilregionalplan streichen. Es handelt sich um ein wertvolles FFH-Gebiet im Staatswald und ist dafür prädestiniert, die seit Langem von Bund und Land angekündigten Artenhilfsprogramme für windenergiesensible Arten auf den Weg zu bringen.“
Verbände schließen Klage nicht aus
Die beiden Naturschutzverbände unterstützen den Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg und schließen auch Planungen im Wald nicht grundsätzlich aus. Sie begrüßen die Teilregionalplanung als sinnvollen Schritt, um die Energiewende voranzubringen. Zugleich sei es enttäuschend, dass in der aktuellen Flächenkulisse der Regionalplanung ökologisch hochsensible Gebiete wie das FFH-Gebiet am Lammerskopf noch enthalten sind, obwohl es in der Region genügend andere geeignete Flächen für die Windenergie geben würde. Dass der Lammerskopf noch in der Diskussion sei, sei vor allem politisch und weniger fachlich motiviert. Die Ungenauigkeiten und methodischen Verrenkungen im vorliegenden ökologischen Gutachten bestärken die Verbände in diesem Eindruck. Sollte der Lammerskopf als Vorranggebiet ausgewiesen werden und eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erhalten, schließen die Verbände eine Klage nicht aus.
Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende BUND Baden-Württemberg:
„Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist essenziell für den Klimaschutz, und damit auch für den Natur- und Artenschutz. Aber das geht nicht um jeden Preis. Für eine nachhaltige Energiewende müssen Klima- und Artenschutz zusammen gedacht werden. Ökologisch hochwertige Gebiete wie der Lammerskopf müssen aus der Kulisse der Teilregionalplanung gestrichen werden, um windenergiesensiblen Arten Rückzugsmöglichkeiten zu bieten.“
Johannes Enssle, Landesvorsitzender NABU Baden-Württemberg:
„Der Regionalverband hat FFH-Gebiete grundsätzlich als Ausschlussflächen für die Windenergienutzung definiert. Trotzdem konnten in der ersten Offenlage für die Region Rhein-Neckar mehr als vier Prozent der Fläche als Vorrangflächen identifiziert werden. Das ist mehr als doppelt so viel, wie eigentlich notwendig. Vor diesem Hintergrund verwundert es mich umso mehr, dass am Lammerskopf nun eine Ausnahme gemacht werden soll.“
Hintergrund:
Durch das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg sind die Träger der Regionalplanung verpflichtet, in den Regionalplänen Gebiete für die Nutzung der Windenergie festzulegen. Damit sollen geeignete Flächen für den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgewiesen und die gesetzlichen Klimaschutzziele erreicht werden. Die Teilregionalplanung schreitet voran, bis Herbst sollen Vorrangflächen für die Windenergie ausgewiesen werden. Die Offenlage ist bereits abgeschlossen, eine zweite Offenlage ist noch nicht eröffnet. Für die Region Rhein-Neckar wurden in der ersten Offenlage mit 4,6 % der Fläche bereits deutlich mehr Vorrangflächen identifiziert als gesetzlich vorgeschrieben. Obwohl das Verfahren noch läuft, werden vielerorts bereits konkrete Projekte geplant – teils in ökologisch hochsensiblen Gebieten. Auch Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH-Gebiete) sind betroffen, obwohl diese strengen EU-Schutzvorgaben unterliegen.
Ein besonders strittiger Fall ist der geplante Windpark am Lammerskopf bei Heidelberg, bei dem das Vorgutachten der FFH-Verträglichkeitsprüfung qualitativ zu wünschen übrigließ. Umweltverbände wie BUND und NABU haben in ihren Einwendungen darauf wiederholt hingewiesen.
Die Kritik am Gutachten entzündet sich dabei an folgenden konkreten Punkten:
- Gefährdung geschützter Arten und Lebensräume: Zehn und mehr Windenergieanlagen sind an und im FFH-Gebiet „Steinachtal und Kleiner Odenwald“ möglich. Hier leben windkraftsensible Fledermausarten, wie die Mopsfledermaus, die Bechsteinfledermaus und das Große Mausohr, für deren Schutz Deutschland eine besondere Verantwortung trägt.
- Rechtliche Konflikte: Der Bau und Betrieb der Windenergielagen würde zu Lebensraumverlust, Störungen und erhöhtem Kollisionsrisiko für diese Arten führen, was gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 33 BNatSchG verstößt.
- Widerspruch zu Naturschutzinvestitionen und -zielen: Der Bau des Windparks würde bereits geleistete Investitionen für mehr Biodiversität im Gebiet untergraben und die Ziele des Natura-2000-Netzwerks konterkarieren.
Fotos zur Berichterstattung
- Die Fotos können Sie mit Angabe des Urhebervermerks honorarfrei verwenden und hier herunterladen: https://cloud.bund.net/index.php/s/CbGTEctmxQMTDCx
Mehr Informationen:
- Webseite des BUND Heidelberg zum Lammerskopf: https://www.bund-heidelberg.de/klimaschutz/windkraft-in-heidelberg/windpark-lammerskopf/
- Webseite des BUND Steinachtal zum Lammerskopf: https://www.bund-rhein-neckar-odenwald.de/ueber-uns/bund-vor-ort/bund-steinachtal/
Kontakt für Rückfragen:
- Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesvorsitzende des BUND für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg, 0172/ 83 44 294, sylvia.pilarsky-grosch(at)bund-bawue.de
- Andrea Molkenthin-Kessler, NABU-Referentin für Klimaschutz und Energie, 0711 966 72-42. Andrea.Molkenthin-Kessler(at)NABU-BW.de.