BUND Landesverband
Baden-Württemberg

Artenschutz auf dem Friedhof Handschuhsheim

23. März 2022 | Artenschutz (BW), Lebensräume, Landwirtschaft, Naturschutz, Naturschutzpolitik (BW), Schmetterlinge, Schmetterlingsland (BW)

Die Stadt Heidelberg und der BUND werten Friedhofs-Flächen zum Schutz von Wildbienen und Schmetterlingen auf. Am 23. März haben die ersten Pflanzungen mit den Projekt-Beteiligten und freiwilligen Helfer*innen stattgefunden.

BUND-Aktive, Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg und BUND Landesvorsitzende pflanzen für die Wildbienen im Friedhof Handschuhseim in Heidelberg. Alle für Insekten: BUND-Landesverband, der Oberbürgermeister und BUND Aktive. Erste Maßnahmen wurden gepflanzt.  (Angela Koch / BUND BW)

Heute (23.3.) haben die Gärtner*innen des Friedhofs Handschuhsheim in Heidelberg und BUND-Aktive die ersten Maßnahmen zur Gestaltung eines insektenfreundlichen Friedhofes umgesetzt. Gemeinsam haben sie vier Mustergräber angelegt, die Besucher*innen und Angehörigen zeigen sollen, wie sie Gräber naturnah gestalten und so die Artenvielfalt fördern können. Die Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg, Sylvia Pilarsky-Grosch, und Heidelbergs Oberbürgermeister Eckart Würzner haben die Ziele des Projektes und seine Bedeutung für die Artenvielfalt erläutert. Vertreter*innen der Friedhofsverwaltung und BUND-Aktive haben die ersten Maßnahmen umgesetzt.

„Ein gewaltiges Artensterben ist im Gange. Besonders betroffen sind die Insekten. Heute gibt es 75 Prozent weniger Fluginsekten als noch vor 30 Jahren. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Auch in ländlichen Gebieten wird es eng“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch, Vorsitzende des BUND in Baden-Württemberg. Die Gründe für den derzeitigen Artenrückgang: intensive Monokulturen und Pestizideinsatz, aber auch Flächenverbrauch für Siedlungen, Gewerbegebiete und Straßen. Tatsächlich zeigen Studien, dass in Städten mittlerweile mehr Insekten vorkommen als auf dem Land mit intensiver Landwirtschaft.

Umso wichtiger werden daher Grünflächen im urbanen Raum. „Parks, Gärten und Friedhöfe wie der Friedhof Handschuhsheim in Heidelberg können zu wahren Naturoasen inmitten der Stadt werden. Vorausgesetzt, wir legen sie naturnah und strukturreich an mit reichhaltigem Nahrungsangebot und Nistmöglichkeiten“, so die BUND-Landeschefin.

Heidelberg aktiv für den Artenschutz

Der Heidelberger Friedhof ist einer von vier Modellfriedhöfen, die am BUND Projekt Insektenfreundlicher Friedhof teilnehmen.

„Als Gründungsmitglied des Bündnisses Kommunen für biologische Vielfalt engagiert sich Heidelberg seit vielen Jahren für den Artenschutz. 2021 haben wir mit unserer eigenen Biodiversitätsstrategie einen konkreten Fahrplan zum Schutz der Artenvielfalt erstellt. Ziel der Stadt ist es, Arten und Lebensräume dauerhaft zu erhalten und zu fördern. Jeder Beitrag zählt! Das BUND-Projekt ist deshalb ein hilfreicher Baustein. Wir beteiligen uns als einer von vier Modellfriedhöfen in Baden-Württemberg sehr gerne! Der Friedhof in Handschuhsheim eignet sich aufgrund der vielen sonnigen Lagen äußerst gut dafür. Wir freuen uns schon darauf, wenn sich hier die ersten Wildbienen und Schmetterlinge ansiedeln“, so Oberbürgermeister Eckart Würzner bei dem Start des Projekts.

BUND-Projekt Insektenfreundlicher Friedhof

„Mit dem Projekt möchte der BUND Baden-Württemberg zunächst auf vier Modellfriedhöfen durch naturnahe Grünflächen die Artenvielfalt erhöhen“, beschreibt Melanie Marquardt, Projekt-Koordinatorin. Im Fokus stehen dabei vor allem Wildbienen wie Hummeln, Sand- und Mauerbienen und Schmetterlinge wie Tagpfauenauge, Schwalbenschwanz oder Kleiner Fuchs. „Unsere langfristige Vision ist, dass Friedhöfe in ganz Baden-Württemberg vorhandene Freiflächen ökologisch aufwerten und pflegen. Unser Anliegen ist außerdem, dass Gärtner*innen und Friedhofsbesucher*innen mittelfristig vermehrt heimische Pflanzen verwenden, wovon dann unsere Insektenwelt profitiert.“

Bis 2024 sollen mindestens drei Flächen auf dem Heidelberger Friedhof insektenfreundlich gestaltet sein. Aktive des BUND unterstützen die Friedhofs-Gärtner*innen bei den Pflanzungen und kontrollieren regelmäßig, ob die Maßnahmen Wirkung zeigen. Die Friedhofsverwaltung, die städtischen Friedhofsgärtner*innen und der BUND Baden-Württemberg dokumentieren die angepasste Pflege der Flächen. Anschließend entwickelt der BUND Pflegekonzepte und -pläne, die anderen Kommunen, Friedhofsträgern, Friedhofsgärtner*innen und Gärtnereien als Blaupause dienen können“, ergänzt Marquardt.

Warum ausgerechnet Friedhöfe?

Friedhöfe bieten eine besondere Chance für den Arten- und Biotopschutz. Denn mit oftmals altem Baumbestand, artenreichen Blumenwiesen, Stauden und Gehölzen sind sie ökologisch besonders wertvoll. Sie bieten vielen verschiedenen Tieren Nahrungs- und Brutmöglichkeiten und Rückzugsorte. So findet man schon jetzt eine hohe Artenvielfalt auf Friedhöfen. Auch sind Friedhöfe kaum Veränderungen unterworfen. Sie werden selten überbaut oder umgestaltet und so können sich Pflanzen und Tiere über lange Zeit anpassen und entwickeln.

Die Nachfrage nach alternativen und flächensparenden Beisetzungsarten wie der Urnen-Bestattung steigt; viele Friedhofsflächen bleiben in Folge frei. „Das ökologische Potenzial von Friedhöfen ist hoch, es bleibt aber oft ungenutzt. Häufig blühen auf den Gräbern Zierpflanzen und diese bieten Insekten nur selten Nahrung. Gepflegte, monotone Rasenflächen sind ebenfalls wertlos für die Tiere“, sagt die Projekt-Koordinatorin. „Ein weiteres Ziel des Projekts: Wir möchten naturnahe Grab-Anlage und -Pflege mit den ästhetischen Ansprüchen der Besucher*innen verbinden.“

Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung von Freiflächen auf dem Friedhof Handschuhsheim:

  • Der BUND und die Friedhofsgärtner*innen legen vier Mustergräber an, die den Friedhofs-Besucher*innen zeigen, wie sie Gräber naturnah, insektenfreundlich und dauerhaft gestalten können.
  • Sie bereiten zwei der derzeitig nicht für Grabanlagen genutzten Flächen für die Anpflanzung von insektenfreundlichen Pflanzen und einer artenreichen Wildblumenwiese vor.
  • Dabei verwenden sie ausschließlich heimisches Pflanzgut. Außerdem ist der Pflanzenmix so zusammengestellt, dass Insekten ein „reiches Buffet“ über das ganze Jahr hinweg vorfinden. So wird beispielsweise auf typische Frühjahrsblüher wie das Busch-Windröschen und das Gewöhnliche Scharbockskraut zurückgegriffen, aber auch die Goldhaar-Aster und der Klebrige Salbei mit einer Blütezeit im Spätsommer kommen zum Einsatz.
  • Für die artenreiche und heimische Wildblumenwiese wird auf Saatgut aus der Region zurückgegriffen, welches in hohem Maße auf die Nahrungsbedürfnisse der Wildbienen und Schmetterlinge angepasst ist.
  • Weiterhin werden die Pflegemaßnahmen der neuangelegten Flächen schonend und insektenfreundlich mit einem geeigneten Mähgerät und einem angepassten Mahd-Zeitpunkt durchgeführt.
  • Neben den heimischen Blühpflanzen schaffen die Friedhofs-Gärtner*innen und der BUND geeignete Lebensraum-Strukturen (Sandarien, Tot- oder Morschholz und Steinhaufen) für die Wildbienen und Schmetterlinge.

Weitere Informationen:

BUND-Projekt Insektenfreundlicher Friedhof: Wir leben im Zeitalter ungebremsten Artensterbens. In den kommenden Jahrzehnten könnten laut Weltbiodiversitätsrat eine Million Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Das Artensterben findet auch direkt vor unserer Haustüre statt. Aktuelle Studien zeigen: Es gibt 75 Prozent weniger Fluginsekten als noch vor 30 Jahren. Um in Städten gegen diesen Trend anzukämpfen, schafft der BUND mit Unterstützung der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg, gefördert aus zweckgebundenen Erträgen der Glücksspirale, mit seinem Projekt Insektenfreundlicher Friedhof auf ungenutzten Friedhofsflächen wertvolle Lebensräume mitten im urbanen Raum. Weitere teilnehmende Friedhöfe sind der Hauptfriedhof in Stuttgart, der Stadtfriedhof in Biberach an der Riß und der Waldfriedhof in Singen (Hohentwiel).

Das Projekt in Kürze:

  • Vollständiger Projekttitel: „Insektenfreundlicher Friedhof – Artenschutz durch naturnahe Pflege am Beispiel der Wildbienen und Schmetterlinge“
  • Teilnehmende Friedhöfe: Hauptfriedhof Stuttgart, Friedhof Handschuhsheim in Heidelberg, Stadtfriedhof Biberach an der Riß und Waldfriedhof in Singen (Hohentwiel)
  • Projektlaufzeit: April 2021 bis März 2024
  • Förderung: Mit Unterstützung der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg gefördert aus zweckgebundenen Erträgen der Glücksspirale
  • Fördersumme der Stiftung Naturschutzfonds: 145.000 €
  • Eigenanteil des BUND: 97.891 €
  • Projektseite: www.bund-bawue.de/friedhof
  • NaturTipp: Lebendige Friedhöfe

Kontakt für Rückfragen:

  • Melanie Marquardt, Projektkoordinatorin Insektenfreundlicher Friedhof, BUND Baden-Württemberg, melanie.marquardt(at)bund.net, 01520 – 8074756


Insektenfreundlicher Friedhof - im Einsatz für Schmetterlinge, Wildbienen & Co.

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