Die Neuregelungen aus dem Naturschutzgesetz zur Außenbeleuchtung an öffentlichen Gebäuden treten morgen (1. April) vollständig in Kraft. Zum Schutz der Insekten und weiterer lichtsensibler Tierarten ist die Fassadenbeleuchtung an öffentlichen Gebäuden nur noch eingeschränkt möglich. In den Sommermonaten soll eine Beleuchtung an Rathäusern, Schlössern und weiteren öffentlichen Gebäuden ganz unterbleiben, im Winter vom 1. November bis zum 31. März bis 22 Uhr möglich sein. Doch Ausnahmen sind möglich und bringen große Probleme mit sich.
„Grün-Schwarz hat mehrfach das Ziel geäußert, das Artensterben aufzuhalten. Das Biodiversitätsstärkungsgesetz war ein Schritt in die richtige Richtung. Dass nun aber für viele Gebäude der öffentlichen Hand bei der Fassadenbeleuchtung Ausnahmen gelten sollen, lässt uns am Willen der Landesregierung zweifeln, das Insektensterben konsequent stoppen zu wollen“, kritisiert Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg. „Licht zur falschen Zeit hat dramatische Auswirkungen auf den Fortbestand der Tiere und Pflanzen. Ihr Fortpflanzungsverhalten wird gestört, sie verlieren die Orientierung und/oder sterben an Erschöpfung. Weniger Insekten bedeuten auch weniger Futter für Vögel und Fledermäuse.“
Störung ganzer Ökosysteme
„Es geht hier um die Störung ganzer Ökosysteme. Denn für mehr als die Hälfte der Schlösser und Klöster, die sich in öffentlicher Hand befinden, wurden bereits Ausnahmeanträge gestellt, damit sich diese nicht an die strengen Auflagen halten müssen“ so Dahlbender. Das Umweltministerium hat die Naturschutzverwaltung angewiesen, historisch, kulturell, heimatgeschichtlich oder architektonisch bedeutsame Gebäude durch Ausnahmen von den strengen Vorgaben nach § 21 NatSchG zu befreien, wenn die Träger der Gebäude einen Antrag stellen. „Wer Ökosysteme wirklich schützen möchte, sollte sich die Frage stellen Licht aus für den Artenschutz oder Licht an für die Touristen?!“
Warnung vor Ausnahmeregeln
Der BUND Baden-Württemberg warnt davor, so vielen Ausnahmeanträgen zuzustimmen. „Die neue Landesregierung muss die möglichen Gründe für eine Ausnahmegenehmigung deutlich einschränken. Ausnahmen müssen Ausnahmen bleiben“, fordert Dahlbender. „Gleichzeitig appellieren wir an die Kommunen, keinen Gebrauch von der Möglichkeit zu machen, Ausnahmeanträge zu stellen. Sonst kann die Maßnahme keine Wirkung entfalten und das Insektensterben nicht aufgehalten werden.“
Ziel des Volksbegehrens war es, das Insektensterben aufzuhalten. „Die gute Nachricht ist: Kaum ein Problem kann so einfach reduziert werden wie die Lichtverschmutzung. Kommunen haben es hier selbst in der Hand, zu insektenverträglichen Beleuchtungsanlagen zu wechseln. Wer mit bernsteinfarbenen LEDs und reduzierter Helligkeit beleuchtet, schont die Umwelt doppelt: Das spart Strom und schützt die heimischen Tiere und Pflanzen“, sagt Dominic Hahn, Naturschutzreferent des BUND Baden-Württemberg.
Hintergrund: Jährlich nimmt die nächtliche Beleuchtung in Deutschland laut Studien um 6 Prozent zu. Durch LEDs wird mehr Licht billiger verfügbar. Die negativen Auswirkungen nächtlicher Beleuchtung auf Mensch und Natur sind dabei immer besser erforscht. Licht zur falschen Zeit hat jedoch gefährliche Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen. Etwa zwei Drittel der in Deutschland vorkommenden Insekten sind nachtaktiv und viele davon sind gefährdet. Straßenlaternen und Gebäudestrahler ziehen diese an, wodurch die Tiere an Erschöpfung verenden oder ihre Orientierung verlieren. So können sie auch nicht mehr als Futterquelle für Vögel oder Fledermäuse dienen.
Die Gesetzesnovelle im Sommer 2020 wurde durch das Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“ angestoßen, an dem der BUND neben anderen Naturschutz- und Verbraucherschutzverbänden beteiligt war.
Weitere Infos:
- Quelle Nächtliche Beleuchutng: Pähler/ Dudler/ Hille (2019): Das stille Sterben der Schmetterlinge
- Quelle Nachaktive Insekten: Hölker et al. (2010): Light Pollution as a biodiversity threat
- BUND zu Insektensterben
Kontakt für Rückfragen
- Dr. Brigitte Dahlbendr, Landesvorsitzende Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e. V., brigitte.dahlbender(at)bund.net
- Dominic Hahn, Referent für Naturschutz, BUND Baden-Württemberg, dominic.hahn(at)bund.net; 0711 620306-14