Gutachter des Umweltministeriums schweigen zu zentralen Kritikpunkten

15. Juli 2020 | Atomkraft, Klima und Energie (BW), Ressourcen & Technik, Umweltpolitik (BW)

Mit zwei eigenen Gutachten will Umweltminister Untersteller eine Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Neckarwestheim II mit rissigen Rohren durchsetzen. Entscheidende Fakten fallen dabei unter den Tisch.

Versagen mehrere Rohre im AKW, kann im schlimmsten Fall eine Kernschmelze ausgelöst werden.  (BUND BW)

Als Reaktion auf den Antrag des BUND Baden-Württemberg, des Bunds der Bürgerinitiativen mittlerer Neckar, der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt und vier Privatpersonen auf Austausch der Dampferzeuger im AKW Neckarwestheim hat das baden-württembergische Umweltministerium zwei Gutachten erstellen lassen. Diese ignorieren entscheidende Fakten, blenden nachgewiesene Schäden aus und orientieren sich nicht an Vorgaben des Kerntechnischen Regelwerks.

Die drei Organisationen sprechen deshalb von Gefälligkeitsgutachten, die dazu dienen sollen, den Weiterbetrieb des Risiko-Reaktors sicherzustellen:

„Wir wissen nicht, ob es an einer schlecht formulierten Aufgabenstellung oder am Unwillen der Gutachter liegt, dass diese sich nicht mit den zentralen Kritikpunkten beschäftigen. Klar ist aber, dass die Gutachten des Umweltministeriums weitestgehend wertlos sind, da sie irreführende Annahmen treffen, entscheidende Fakten und Vorwürfe übersehen und missliebige Vorgaben des kerntechnischen Regelwerks einfach ignorieren. Das Umweltministerium muss seriös nachlegen. Weitere Gefälligkeitsgutachten, nur um den Weiterbetrieb des Risiko-Reaktors sicherzustellen, darf es nicht geben. Keinesfalls darf das Umweltministeriums vor dem Hintergrund dieser Gutachten den Weiterbetrieb des Risiko-Reaktors genehmigen. Dann bliebe nur der fromme Wunsch, dass nichts Schlimmeres passiert.“

"Ein AKW im gestörten Betrieb weiter zu betreiben, ist verboten"

Der Reaktorsicherheitsexperte Prof. Manfred Mertins, der im Auftrag der Umweltschützer*innen ein Gutachten zur Sicherheit des GKN II erstellt hat, äußerte sich im Interview mit dem am Freitag erscheinenden .ausgestrahlt-Magazin wie folgt: „In Neckarwestheim II haben wir den Normalzustand definitiv verlassen und befinden uns auf der Sicherheitsebene 2 im gestörten Betrieb. Das Sicherheitskonzept sieht aber vor, dass ich da nicht bleiben kann. Ein AKW im gestörten Betrieb weiter zu betreiben, ist verboten. Das sagt die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA, und im deutschen Kerntechnischen Regelwerk steht das genauso drin.“

Ohne Austausch der Dampferzeuger kein Betrieb vom GKN II

Jahrelange Korrosionsangriffe haben die Heizrohre in den Dampferzeugern massiv angegriffen. Es existiert keine technische Möglichkeit, sie so zu reparieren, dass keine weiteren Risse auftauchen können. Weitere derart gefährliche Risse sehenden Auges in Kauf zu nehmen, ist, anders als die Atomaufsicht behauptet, weder vom Kerntechnischen Regelwerk gedeckt noch entspricht es dem Stand von Wissenschaft und Technik für den sicheren Betrieb von Atomkraftwerken. Dies hat der Reaktorsicherheitsexperte Prof. Manfred Mertins in seinem Gutachten deutlich gemacht.

Das Umweltministerium muss dafür sorgen, dass die Schäden vor einer Wiederinbetriebnahme komplett behoben sind, Risse durch Spannungsrisskorrosion also keine Rolle mehr spielen. Dies ist nur durch einen Austausch der Dampferzeuger möglich, den die drei Organisationen mit ihrem Antrag an das Umweltministerium fordern.

Hintergrund:

Der BUND Baden-Württemberg, die Anti-atom-Organisation .ausgestrahlt und der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) reichten am 19. Juni 2020 beim Umweltministerium Baden-Württemberg einen Antrag auf Entzug der Betriebserlaubnis des Atomkraftwerks Neckarwestheim II ein, behelfsweise auf Untersagung des Betriebs ohne vorherigen Austausch der vier defekten Dampferzeuger. Die Organisationen begründeten den Antrag unter anderem mit zwei Gutachten der Atomexperten Prof. Manfred Mertins und Dipl.-Ing. Helmut Mayer. Manfred Mertins legt dar, dass die Dampferzeuger irreparabel geschädigt sind und ein AKW mit geschädigten Dampferzeugern nicht betrieben werden darf. Ingenieur Helmut Mayer zeigt, dass es unverantwortbar ist, das Kraftwerk in diesem Zustand zu betreiben.

Als Erwiderung auf den Antrag der Umweltorganisationen hat das Umweltministerium zwei Gutachten in Auftrag gegeben und diese den Antragstellern am Montag, den 13. Juli zukommen lassen.

EnBW plant laut Strombörse, den Reaktor in der Nacht auf Samstag (18. Juli) wieder in Betrieb zu nehmen.

 

Weitere Informationen:

Kontakt bei Rückfragen:

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb