Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e. V, fordert anlässlich der Erörterung am 14. Juli zum Rückbau von Block 1 des Atomkraftwerks Philippsburg 1 (KKP 1) den sorgsamen Umgang mit Radioaktivität. Erst wenn die hochradioaktiven Brennelemente aus dem Reaktor entfernt worden sind, darf mit dem Rückbau des Atomreaktors begonnen werden. Zudem kritisiert der Verband die von der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) vorgelegten Unterlagen in Umfang und Tiefe als mangelhaft. Über 2.600 Bürgerinnen und Bürger haben im April Einwendungen eingereicht.
In seiner Stellungnahme zum Rückbauverfahren hat der BUND Baden-Württemberg Kritikpunkte und Anforderungen formuliert, wie der Rückbau sicherer und transparenter ablaufen muss. „Radioaktivität lässt sich nicht einfach abschalten. Die Anlagenteile und Reststoffe strahlen weiter, egal wo sie gelagert werden. Der maximale Schutz vor dieser radioaktiven Strahlung muss beim Rückbau oberste Priorität haben“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgeschäftsführerin des BUND Baden-Württemberg.
Um das Risikopotenzial zu reduzieren, ist es beispielsweise absolut notwendig, dass die hochradioaktiven Brennelemente noch vor Beginn des Rückbaus entfernt und verwahrt werden. Derzeit befinden sich die hochradioaktiven Brennelemente im Abklingbecken unter dem Dach des Reaktorgebäudes. „Die EnKK muss verbindlich zusagen und es ist per Genehmigungsauflage sicherzustellen, dass die Brennelemente in Castoren gepackt möglichst sicher zwischengelagert werden. Ansonsten darf nicht mit den Rückbaumaßnahmen begonnen werden“, sagt die Landesgeschäftsführerin weiter.
Unterlagen für den Rückbau : Ohne Aussagekraft und Transparenz
Die Grundlage für die Erörterung ist der gerademal 150 Seiten starke Sicherheitsbericht. Der Detaillierungsgrad der dargelegten Informationen genügt nicht, um die Pläne und das Verfahren zuverlässig zu bewerten. „Die Unterlagen geben weder ausreichend Informationen über die Betroffenheit der Bürgerinnen und Bürger noch wird darin das Rückbauverfahren detailliert dargestellt“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch. „Wir fordern das Verfahren neu aufzurollen und Unterlagen zu erstellen, in denen alle vorgesehenen Arbeitsschritte verständlich beschrieben sind.“
Die morgige Erörterung ist bislang der einzige vorgesehene Termin, bei dem die Öffentlichkeit beteiligt wird. Es ist unerlässlich, dass weitere Erörterungstermine im weiteren Genehmigungsverfahren zur ersten Stilllegungs- und Abbaugenehmigung stattfinden. Andernfalls haben wir als Umweltschutzverband nicht die Möglichkeit, das Rückbauverfahren sachgerecht zu prüfen und zu begleiten“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch.
Der BUND Baden-Württemberg wird während des ganzen Rückbauverfahrens sein Recht wahrnehmen und nach dem Umweltinformationsgesetz alle Möglichkeiten der Information ausschöpfen, um das Rückbauverfahren kritisch begleiten zu können.
Die Stellungnahme des BUND Baden-Württemberg zu den Rückbauplänen für das Atomkraftwerk Philippsburg 1 (KKP 1) kann hier nachgelesen werden.
Hintergrund: Forderungen des BUND Baden-Württemberg
Der BUND Baden-Württemberg hat in seiner Stellungnahme zu den Rückbauplänen der EnKK GmbH Forderungen an den Abbauplänen gestellt. Im Mittelpunkt der Kritik stehen Sicherheitsaspekte für Mensch und Umwelt:
Radioaktivität: Mit dem Rückbau darf erst dann begonnen werden, wenn die hochradioaktiven Brennelemente aus dem Kraftwerk entfernt worden und in ein Zwischenlager gebracht worden sind.
Strahlenschutz: Die Niedrigstrahlung von Partikeln ist nicht zu unterschätzen. Menschen und Tiere können diese Partikel über ihre Atmung in ihren Körper aufnehmen. Die gesetzlichen Strahlenbelastungsgrenzwerte genügen nicht, um die maximale Sicherheit von Mensch und Umwelt zu gewährleisten. Daher fordert der BUND, muss die Strahlenbelastung so gering wie möglich gehalten werden.
Abgabewerte: Der Grenzwert der Abgabemenge hochradioaktiver Stoffe in Luft und Wasser muss niedriger sein als das vorgeschriebene gesetzliche Minimum und von der EnKK GmbH beantragt. Denn diese Werte liegen deutlich über den Mengen aus dem Leistungsbetrieb. Praktisch hieße das: Die Strahlenbelastung durch den Rückbau könnte höher sein als die Strahlenbelastung während des Betriebs.
Freimessen: In Deutschland können schwach radioaktive Reststoffe und Abfälle in die Umwelt frei gegeben werden. Das bedeutet, dass Materialien aus einem Atomkraftwerk, das rückgebaut wird, nach der "Freimessung" auf einer normalen Hausmülldeponie landen oder als Wertstoff wiederverwendet werden können. Der BUND Baden-Württemberg fordert, dass nur Materialien frei gegeben werden dürfen, die nicht radioaktiv kontaminiert sind.
Störfälle: Die EnBW hat nicht ausreichend analysiert, welche Gefahren bei großen Störfällen, wie Flugzeugabstürzen oder Terroranschläge, drohen und wie die Sicherheit von Mensch und Umwelt gewährleistet werden kann.
Finanzierung: Die EnBW hat Rücklagen von circa 8 Milliarden Euro für den Abriss ihrer Atomkraftwerke gebildet. Doch diese verschwinden in Bilanzen, Kraftwerken oder Wertpapieren. Diese sind nicht insolvenzsicher. Der Staat kann auf das Geld nicht zugreifen. Das heißt, wenn das Unternehmen pleitegeht, muss der Steuerzahler einspringen. Der BUND Baden-Württemberg fordert, dass der Atomkonzern dieses Geld in einen staatlichen Fonds überführt.