Immer mehr Menschen leben in Städten. Gleichzeitig geht die Artenvielfalt zurück. Dagegen kann man angehen: Grünflächenämter können durch eine naturnahe Pflege von Gärten und Parks dem entgegen wirken. Wichtig ist, artenreiche Wiesen mit heimischen Blütenpflanzen anzulegen, die Insekten und Schmetterlinge anziehen. Der BUND Baden-Württemberg und der Zoologisch-Botanische Garten Wilhelma engagieren sich seit 2010 für attraktivere Lebensräume für Schmetterlinge. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, welche positiven Entwicklungen das Engagement und die veränderte Grünpflege gebracht haben.
Fast 80 Prozent der Menschen leben in Deutschland heute in Städten. Tendenz steigend. Für sie ist der Kontakt mit dem urbanen Grün oft die einzige Naturerfahrung. Gleichzeitig bleibt Pflanzen und Tieren immer weniger Lebensraum. Trotz Parks, Grünstreifen oder Gärten gibt es beispielsweise für Schmetterlinge zu wenige geeignete Biotope. Die Zukunftsfragen lauten: Wie können wir mit der Natur in der Stadt so umgehen, dass Mensch und Tier sich wohlfühlen? Was können Verwaltung, Grünflächenämter und Bürgerinnen und Bürger unternehmen, um dem Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen?
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V., und der Zoologisch-Botanische Garten Wilhelma haben 2010 das Projekt Lebensraum Schmetterlingswiese begonnen, um die „Grünen Wüsten“ ausgewählter intensiv gepflegter Parkbereiche zu Tagfalterbiotopen zu entwickeln. Die Kooperationspartner haben acht zentrale Wiesen in Stuttgart ausgewählt, die sich für eine Entwicklung hin zu schmetterlingsfreundlicheren Wiesen eignen. Um die Anzahl und den Artenreichtum von Schmetterlingen zu erhöhen, hat der Fachbereich Parkpflege der Wilhelma ein naturnahes Pflegekonzept eingeführt:
Neues Pflegekonzept: Seltener Mähen. Wenig Düngen. Mehr Wildblumen
„Die ausgewählten Wiesen mähen wir seit dem Projektstart nur noch zwei Mal im Jahr und düngen sie nicht mehr oder nur noch selten“, sagt Micha Sonnenfroh, Fachbereichsleiter Parkpflege der Wilhelma. „Außerdem haben wir in ausgewählten Bereichen Wildblumen ergänzend ausgesät, die Insekten wie Schmetterlinge anlocken. Bei jeder Mahd sparen wir Nektarinseln aus, damit die Blüten nicht auf einmal abwelken und die Falter abwandern müssen. Nun blüht allerlei vom Wiesensalbei, Margerite oder Rotklee im Rosensteinpark.
Diese Wiesen hat die Biologin Claudia Kricke in Auftrag des BUND Baden-Württemberg wissenschaftlich untersucht. Freiwillige Kartiererinnen und Kartierer haben die Falter auf den acht Projekt- und acht Vergleichswiesen beobachtet, gezählt und bestimmt. So wie Jutta Schneider-Rapp, die mit ihrem Sohn eine Wiese in Stuttgart-Vaihingen regelmäßig abschreitet: „Wir laufen immer denselben 200 Meter langen Zickzack-Kurs über die Wiese und schauen links und rechts, ob und welche Falter wir erspähen. Allerdings können wir nur bei gutem Wetter raus. Es darf wenig wolkig und windig sein. Sonst fliegen die Falter nicht“, sagt Schneider-Rapp.
Ergebnisse der Tagfalter-Studie
„Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, wie wichtig eine extensive Grünflächenpflege ist, um die Artenvielfalt und den Naturschutz zu fördern. Auf den naturnah gepflegten Wiesen summt und brummt es wieder. Die Vielzahl an Blumen lockt Insekten an und Schmetterlinge finden hier vermehrt Schutz und Nahrung“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgeschäftsführerin des BUND.
Durch ein modifiziertes Mahdregime, vielfältigere Ansaat und Altgrasinseln kann man Artenvielfalt fördern. Auf allen Projektflächen war sowohl die Artenvielfalt als auch die Anzahl der Falter höher als auf den Vergleichsflächen. Es konnten 20 Tagfalter-Arten nachgewiesen werden, darunter fünf Arten, die in Baden-Württemberg auf der Vorwarnliste stehen - also Arten, die zwar noch nicht vom Aussterben bedroht sind, die aber bei Verschlechterung der Umweltbedingungen künftig gefährdet sein könnten.
Kooperationsprojekt für private Gärten und Kommunen
Andere Städte und Gemeinde können ebenfalls von den Erfahrungen profitieren und etwas für den Naturschutz in der Stadt tun: Die Wiesenpflege sollte sich auf ein bis drei Schnitte im Jahr beschränken und das Mähgut sollte abgeräumt werden. Auch Bürgerinnen und Bürger können heimische Pflanzen in ihren Gärten und Balkons aussäen und ein wenig mehr Wildnis zulassen. „Wir wünschen uns, dass mehr kommunale Grünflächenämter im ganzen Land ihre Verantwortung für die biologische Vielfalt erkennen und der Natur in der Stadt mehr Raum geben. Zwar gibt es Flächen, wo der häufig gemähte Sportrasen sinnvoll ist. In Parks und auf Straßenböschungen brauchen wir aber wieder Wiesen mit Salbei und Knautie, wo Schmetterlinge Nektar finden. In Stuttgart haben wir gezeigt, dass dies geht und dass es sich lohnt, Naturschutz mitten in der Stadt umzusetzen“, sagt Sylvia Pilarsky-Grosch.
- Studie: Tagfalteruntersuchungen auf den BUND-Wilhelma-Schmetterlingswiesen in Stuttgart, von der Biologin Claudia Kricke, 2014