B27-Ausbau: „Endelbergtrasse“ verstößt gegen Umweltrecht

22. Mai 2025 | BUND Baden-Württemberg (BW), Naturoasen schützen (BW), Naturschutz, Flächenschutz (BW), Klimaschutz (BW), Lebensräume, Verkehr (BW)

NABU und BUND reichen ausführliche Klagebegründung ein

Zu sehen ist eine grüne Fläche, auf welcher der geplante B27-Ausbau stattfinden soll. Im Hintergrund sind einige Bäume zu sehen. Zwischen Bodelshausen und Nehren im Kreis Tübingen ist der Neu- und Ausbau der B27 geplant.  (Elena Klaiber/BUND BW)

Stuttgart. Die fachliche und juristische Prüfung der sogenannten „Endelbergtrasse“ fällt für die Verbände NABU und BUND eindeutig aus: Der geplante Aus- und Neubau der B27 im Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren (Kreis Tübingen) verstößt für sie gegen nationales und europäisches Umwelt-, Natur- und Klimaschutzrecht. Auf 230 Seiten sowie in einem 200-seitigen Fachgutachten haben die Rechtsanwälte von PNT Partner (Frankfurt/Hamburg) zusammen mit den Fachgutachtern und Dipl.-Biologen Engelsing & Schmoll (Leipzig) für die Naturschutzverbände die Begründung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss ausgearbeitet und am 9. Mai fristgerecht dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim vorgelegt.

Im Zuge der Ausarbeitung der Klagebegründung hatten sich die Anwälte und Gutachter*innen vor Ort mit haupt- und ehrenamtlichen Umweltschützer*innen von BUND und NABU ein eigenes Bild der betroffenen Flächen entlang der geplanten Trasse gemacht.

Stärkere negative Effekte auf geschützte Lebensräume

Im Zentrum ihrer Kritik steht, dass bei der Trassenplanung eine Vielzahl an besonders geschützten Lebensräumen, Biotopen und Tierarten durch die „Endelbergtrasse“ deutlich gravierender betroffen werden als die Planer des Regierungspräsidiums Tübingen dies annehmen. Die juristische und naturschutzfachliche Prüfung hat ergeben, dass insbesondere EU-Vorgaben zum Schutz von Flachland-Mähwiesen, Hochstaudenfluren und Auenwäldern sowie von Fledermäusen, Vögeln und Amphibien verletzt werden. Das von der Planung betroffene FFH-Schutzgebiet „Albvorland bei Mössingen und Reutlingen“ wurde demnach fachlich falsch abgegrenzt: Wesentliche, zum Teil sogar die wertvollsten, Biotopflächen, die durch den Bau beeinträchtigt werden, wurden rechtswidrig aus der Schutzgebietskulisse herausgehalten. Die Belange von besonders und streng geschützten Arten wurden seitens der Planungsbehörde unzureichend ermittelt und fehlerhaft bewertet. Dies gilt sowohl innerhalb als auch außerhalb der beiden von der Trassenplanung betroffen Natura 2000-Gebiete.

Bei der Bewertung der Auswirkungen auf besonders geschützte Arten und Gebiete – wie sie im nationalen und europäischen Umweltrecht festgelegt sind – wurden grundlegende Fehler gemacht. Diese wirken sich unmittelbar auf die Ausnahmeprüfungen und -entscheidungen des Regierungspräsidiums aus, da die Betroffenheiten wertvoller Natur- und Umweltbestandteile durch die Planungsbehörde bei Weitem unterschätzt wurden. Somit ist die Planung der Ausgleichs- und Kohärenzerhaltungsmaßnahmen deutlich defizitär. Da die „Endelbergtrasse“ weitaus schwerwiegender in wertvolle Bestandteile von Natur und Umwelt eingreift, hätte diese bei der Alternativenprüfung ausgeschlossen werden müssen.

Falsche Gewichtung der Tunnelvarianten

Vor diesem Hintergrund hätten die Vorteile der Tunnelvarianten in der Gesamtbetrachtung und -abwägung ein noch stärkeres Gewicht bekommen müssen. Hinzu kommt, dass die für die Tunnel geltend gemachten Mehrkosten und der Kostenvergleich mit Blick auf andere Varianten in mehrfacher Hinsicht äußerst frag- und kritikwürdig sind.

Rechtswidrige Prüfung von Klimaschutzbelangen

Die Verbände kritisieren außerdem die unzureichende Berücksichtigung der Klimaschutzbelange und des Klimaschutzrechts, insbesondere die Klimabilanz und die Klimaschutzziele. So ist die Berechnung der CO₂-Emissionen des Projekts unvollständig. Wichtige Emissionen aus Produktion und Bereitstellung von Energie („Well-to-Tank“-Emissionen) fehlen vollständig. Die Auswirkungen des Projekts auf gesetzliche Klimaschutzziele für 2030 und darüber hinaus wurden nicht ausreichend geprüft. Auch klimafreundlichere Alternativen, unter anderem Tunnelbauten, wurden teilweise nur in umständlichen Ausführungsvarianten geprüft und dann ausgeschlossen. Die Berechnungsgrundlagen für die Klimawirkung des Projekts stammen aus veralteten Leitlinien des Verkehrsministeriums. Neue wissenschaftliche Standards, wie sie die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) entwickelt hat, fanden keine Anwendung oder wurden nur oberflächlich erwähnt. Dass die Klimaschutzbelange in der Planung unzureichend berücksichtigt wurden, ist rechtswidrig.

Flächenversiegelung nicht ausgeglichen

Auch der Naturverlust wird durch die Planungsbehörde unterschätzt: Wälder und Böden, die bislang CO₂ speichern, sollen dauerhaft versiegelt werden, ohne ausreichenden Ausgleich. Dies führt zu zusätzlichen Emissionen und untergräbt den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das Projekt stützt sich auf einen alten Bedarfsplan, der laut Gesetz längst hätte überprüft und an den Klimaschutz angepasst werden müssen. Diese Pflicht wurde versäumt.

Die Engelbergtrasse kann als ungünstigste Variante eines ohnehin mindestens zu Teilen rechtwidrigen Verfahrens betrachtet werden. Der Planfeststellungsbeschluss erweist sich damit aus Sicht der Verbände aus mehreren, selbständig tragenden Gründen als rechtswidrig.

 

 

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