BUND Landesverband
Baden-Württemberg

Altdorfer Wald: Naturschutzverbände fordern Ausgleich für geplanten Windpark

09. Oktober 2023 | Energiewende, Klima und Energie (BW), Umweltpolitik (BW), Wälder, Moore, Dialogforum (BW)

Verbände fordern Naturschutzkonzept und einen Runden Tisch für den Altdorfer Wald

Der Altdorfer Wald ist Lebensraum und Rückzugsort von zahlreichen heimischen Waldtieren.  (Stefan Hövel / BUND Bad Wurzach)

++ Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, NABU, AG Fledermausschutz und LNV ++

Stuttgart/Ravensburg. Für die Naturschutzverbände BUND, NABU, AG Fledermausschutz und Landesnaturschutzverband sind die aktuellen Planungen zum Bau von Windkraftwerken, sowie zum Kies- und Torfabbau im Altdorfer Wald (Kreis Ravensburg) Anlass, ein ambitioniertes und nachhaltiges Waldnaturschutzkonzept für diesen größten zusammenhängenden Wald Oberschwabens zu fordern.

Die Forderungen wurden ForstBW mit konstruktiven Vorschlägen bereits per Brief am 5. September 2023 dargelegt. Eine Antwort steht bisher aus.

Aktuell werden im Zusammenhang mit dem Altdorfer Wald ausschließlich Eingriffe geplant und diskutiert. Windkraftwerke im Altdorfer Wald, aber auch die Ausweitung und Fortführung des Kies- und Torfabbaus erhöhen den Nutzungsdruck auf den Wald. Ein Großteil dieser Planungen findet auf Landesflächen statt. Bisher liegen jedoch keine Planungen oder Konzepte vor, die die Sicherung oder die ökologische Aufwertung größerer und zusammenhängender Gebiete im Wald betreffen. „Die Größe und Bedeutung der geplanten Windparks, aber auch der Summe an geplanten Nutzungen im Altdorfer Wald erfordern jedoch eine intensive, fundierte Auseinandersetzung mit schützenswerten Gebieten, und zwar bevor über die Zulässigkeit weiterer Eingriffe im Wald entschieden wird. Sonst wird auch die Akzeptanz für Windenergieanlagen weiter schwinden“, betont Ulfried Miller, Regionalgeschäftsführer des BUND Bodensee-Oberschwaben.

Naturschutzverbände fordern Ausgleich für geplanten Windpark

Für die Naturschutzverbände ist der Fall eindeutig. „Im Falle der Realisierung der geplanten Windparks im Altdorfer Wald darf kein zusätzlicher Eingriff stattfinden. Gleichzeitig muss durch eine lokale, ökologische Aufwertung von Waldbereichen ein dauerhafter Ausgleich für die Beeinträchtigung der Lebensräume erfolgen“, sagt Dr. Ingo Maier von der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg (AGF). Dies wird eine deutliche Reduzierung der geplanten Anlagenzahl bedingen. Nach Möglichkeit sollten die Anlagen an vorhandenen Straßen und gut ausgebauten Forstwegen gebündelt werden.

„Es darf dann keine Erweiterung der Kiesabbauflächen stattfinden. Dafür ist, wenn der größte Windpark Südwestdeutschlands in dem Waldgebiet realisiert wird, kein Platz. Denn für Kiesabbau sind im neuen Regionalplan rund 60 Abbaustellen vorgesehen. Somit gibt es Alternativen in der Umgebung. Außerdem muss das Reichermoos umgehend durch geeignete Renaturierungsmaßnahmen als Moor wiederhergestellt werden, um seine Funktionen für Biodiversität und Klimaschutz so bald wie möglich wieder erfüllen zu können“, findet Georg Heine vom Landesnaturschutzverband.

Ein bedeutender Anteil des Waldes (rund 80 Prozent) ist im Besitz des Landes. Maike Hauser, Mitarbeiterin für Planung beim BUND in Ravensburg, sieht daher das Land in der Verantwortung, sich neben einem Beitrag zur Energiewende insbesondere für den großflächigen Erhalt des Altdorfer Waldes und seiner Artenvielfalt einzusetzen. Denn Klimakrise und Biodiversitätskrise sind eng miteinander verwoben und müssen daher gemeinsam und gleichwertig berücksichtigt werden. Die Naturschutzverbände fordern deshalb die Erarbeitung eines nachhaltigen Waldnutzungskonzeptes und vor allem eines Sicherungskonzeptes für wertvolle Naturräume im Altdorfer Wald. Dies dient auch der Funktion des Altdorfer Waldes als wichtiges Erholungsgebiet.

Ein solches Konzept muss folgende Aspekte beinhalten:

  • Ein Bann- und Schonwaldkonzept zur Sicherung weiterer Flächen. Das heißt, Flächen, die aus der Nutzung herausgenommen werden und Flächen, in denen ein Umbau von Waldbereichen mit ökologischer Zielsetzung erfolgt (z.B. für verbesserte Lebensraumbedingungen der Zielarten des FFH-Gebiets).
  • Diese Flächensicherung soll auch zum Aufbau eines Biotopvernetzungskonzeptes im Altdorfer Wald dienen – vorzugsweise in den Wildtierkorridoren. Hierfür bieten sich zum Beispiel Wälder im Heißer Wald, um das Lochmoos, das Fuchsenloch, den Schwarzenbach, die Wolfegger Aach und die Weiherkette, sowie die Hangwälder südlich der Wolfegger Ach an.
  • Eine Sicherung nutzungsfreier Flächen auf mindestens zehn Prozent des Waldgebietes. Bislang sind gerade 77 Hektar und damit nur ein Prozent des Altdorfer Waldes als Bannwald oder künftiger Urwald gesichert.
  • Ein Renaturierungskonzept für das Reichermoos und einen Zeithorizont zur Umsetzung von Wiedervernässungsmaßnahmen in diesem landeseigenen Moor.
  • Eine Prüfung an welchen Standorten ehemalige Weiher wieder aufgestaut werden könnten, um die Wasserrückhaltung im Wald zu fördern. Von ehemals 80 Weihern sind heute noch 25 vorhanden.

Für ein solches Konzept müssen zeitnah geeignete Flächen identifiziert und zur Verfügung gestellt werden. Die Naturschutzverbände erwarten die Bereitschaft für konkrete Handlungen zu Gunsten des Naturraums Altdorfer Wald seitens der Landesregierung und Landesbehörden und fordern die Etablierung eines gemeinsamen Runden Tisches mit den zuständigen Behörden, insbesondere ForstBW. Gerne unterstützen die Verbände mit ihrem regionalen Know-how bei der Erarbeitung der Gebietskulisse, so Sabine Brandt vom NABU Bezirksverband Allgäu-Donau-Oberschwaben.

 

Hintergrundinformationen zum Altdorfer Wald

Der Altdorfer Wald ist der größte zusammenhängende Wald Oberschwabens und von zentraler Bedeutung als Naturraum und Erholungsgebiet. Er ist ein Refugium für Waldtiere der Region, denn er umfasst eine hohe Vielfalt verschiedenster Lebensräume mit unterschiedlich strukturierten Waldbereichen, Mooren, Gewässern und Wiesen. Damit stellt er einen sehr wertvollen ”Hotspot” der Biodiversität von überregionaler Bedeutung dar. Er bietet Lebensraum für über 230 Vogelarten, etwa den Schwarzstorch, Waldschnepfe, Sperlingskauz, Raufußkauz, Weißrückenspecht sowie für Fledermäuse wie die Mops- und Bechsteinfledermaus. Hinzu kommen große Amphibienpopulationen mit seltenen Arten wie Kammmolch, Laubfrosch und Gelbbauchunke. Auch Nachweise für Luchs und Wildkatze liegen vor. Weiterhin ist er durch seine Wasservorkommen bester Qualität für die Trinkwasserversorgung der Region unverzichtbar. Der Waldburger Rücken ist glazialgeologisch mit seinen Schmelzwasserablagerungen und Toteislöchern eine absolute Besonderheit. Der Altdorfer Wald war vor einigen Jahren in der Suchschleife für einen Nationalpark Baden-Württembergs. Das Rennen machte dann der Nordschwarzwald.

 

Hintergrundinfo zu Bannwäldern/Nutzungsaufgabe

Es ist ökologisch sinnvoller, ältere Laubholzbestände aus der Nutzung zu nehmen, statt Laubholz zu verbrennen. Damit verbessert sich ihre Qualität für den Artenschutz. Durch den weiteren Holzzuwachs wird Kohlendioxid weiterhin dauerhaft gebunden. 50 Prozent des Laubholzeinschlags in Baden-Württemberg geht derzeit in die Verbrennung (Quelle: Statistisches Landesamt). Eine Nutzungsaufgabe in Nadelholzbeständen ist schwieriger – wegen der Borkenkäfer-Gefahr und weil damit Bauholz verloren geht. 90 Prozent des Holzeinschlages in Baden-Württemberg geht in die stoffliche Nutzung (Quelle: Statistisches Landesamt).
Derzeit werden im Altdorfer Wald jährlich etwa 80.000 Festmeter Holz eingeschlagen. Bei einem Nutzungsverzicht auf 800 Hektar könnten nur noch etwa 70.000 Festmeter geerntet werden. Auf der „Habenseite“ steht aber der große Beitrag zum Naturschutz und zur Artenvielfalt und zum Klimaschutz. Auf 800 Hektar haben wir dann auch keine Vollernte-Maschinen, keine Eingriffe und Beobachtungsflächen für die natürliche Waldentwicklung.

 

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